230162 Schreibwerkstatt mit Marica Bodrožić (BS) (SoSe 2017)

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Seit mehr als 20 Jahren bietet die Literaturwissenschaft unserer Fakultät literarische Schreibwerkstätten an, die von namhaften AutorInnen geleitet werden.

Für das Somersemester 2017 ist es uns gelungen, Marica Bodrožić zu gewinnen. Sie ist für ihr umfangreiches Werk, das Lyrik und Prosa umfasst, mit bedeutenden Preisen ausgezeichnet worden, zuletzt mit dem Literaturpreis der Europäischen Union (2013) und dem Preis der Konrad-Adenauer-Stiftung (2015).

Dies schreibt Frau Bodrožić selbst zu ihrem Seminar:

«Sehen heißt ändern» - von den Nornen gestützt

Bevor Sprache ein geistiges Kontinuum bildet, geht ihr im Unsichtbaren eine noch uneroberte Stille voraus, ein unbeweisbarer (schlafender) Resonanzraum, der zum einen mit unserer Einbildungskraft verbunden ist und zum anderen das gelebte Leben spiegelt. Die Einbildungskraft ist immer ein bißchen autobiographisch, und das Leben wird früher oder später (meistens in der Rückschau) immer imaginiert.
In einem einzigen Satz kann sich manchmal die hochkonzentrierte Erfahrung eines ganzen Lebens (oder einer Beziehung oder einer tief in der eigenen Existenz eingekerbten Struktur) bündeln. Wie schaut Sprache darauf? Wie können Sätze mit dem Atem des Erlebten ertastet werden und schließlich, wenn der Text danach strebt, in etwas anderes und neues münden? «Die Erinnerungen sehen uns», heißt es einmal bei dem Dichter Tomas Tranströmer. Diese Perspektive ist erfrischend, weil sie sich vom festgezurrten Ich entfernt. Die Erinnerungen haben nicht nur eigene Augen, sondern auch einen eigenen Klang – er versteckt sich hinter den Geräuschen und hinter der Geschäftigkeit der Welt. Schreibend und träumend werden wir manchmal in die Erinnerung gestoßen, häufig in etwas, das wir gar nicht selbst erlebt haben und dennoch trägt das Erlebnis die Struktur eines sprachlichen (oder bildlichen) Ereignisses. Wie kommt das Wort ins Bild und das Bild ins Wort? Und auf welche Weise können wir diesen geheimnisvollen und heiligen Raum erzählen? Die innere Bildwelt ist ganz eigenen Gesetzen verpflichtet; jeder hat eine eigene Bildwelt, Schnittmengen archetypischer Bilder tragen wir aber gleichermaßen in uns. Wie können wir uns selbst lesen lernen, ohne immer nur Biographie zurückzugreifen? Was ist überhaupt eine Biographie? Der Weg vom Ich zum Selbst ist ein (innerer) tatsächlich ein abzuschreitender Weg. Wer in uns liest überhaupt, wenn er sich in sich selbst versenkt und nach Sprache sucht?
Dem Schreiben geht immer ein schöpferisches Sehen voraus, es erschafft und spiegelt zeitgleich die Welt. Im Innen spiegelt es unsere Beziehung zu uns selbst und zur Welt (Berührung mit den anderen Menschen); im Außen zeigt es uns ein Geflecht aus allen Elementen des Synästhetischen und fordert alle unsere Sinne heraus. Wie schreiben, denken, fühlen die Sinne in unserem Welterleben und im Erschreiben der Welt mit? Sind die im äußeren Blick gefundenen Bilder Räume von Träumen und die im inneren Blick zu erschauenden Bilder Träume, die noch zu Räumen werden (können)? Wohin gehen die Bilder, wenn wir nicht mehr an sie denken? Können Erfahrungen verschwinden?
Als Denk- und Sehstütze in diesem Arbeitsprozess werden uns die schicksalsbestimmenden Nornen dienen. Die Nornen sind in der nordischen Mythologie damit befasst, das Leben der Menschen zu gestalten. Die erste Norne spinnt den Lebensfaden, die zweite verknüpft ihn mit dem Lebensfaden anderer Menschen und die dritte schneidet ihn irgendwann entzwei. Der Cut ist der Augenblick, in dem für uns der Beginn einer möglichen Erzählung einsetzt - wie fragmentisch auch immer diese ist.

Die Teilnehmer /Innen der Werkstatt werden gebeten, im Vorfeld ein für sie wichtiges Thema zu benennen und zu überlegen, was sich für sie an diesem Thema für eine Geschichte entzündet, welche Assoziationsräume und Strukturen es in sich birgt - und was es mit dem eigenen Leben zu tun hat. (Leben ist nicht nur Chronologie, sondern auch innere Zeit, Imagination, Sehnsucht, Vision.) Bei der Themenwahl ist alles denkbar, es können dabei philosophische, existenzielle und strukturelle Ansätze gleich welcher Art von Bedeutung sein. Von «Nikotin» bis «Nacht» ist alles erlaubt. Bitte das Thema des Sehens, das zu einem Textkorpus führen soll, so knapp wie möglich halten.

Folgende Bücher / Texte, die ich als Inspiration empfehle (und die Bespiele für eine solche Herangehensweise darstellen können), setzen sich mit einem Thema in einer formal oder sprachlich eigensinnigen Weise auseinander:

Theodor W. Adorno: Traumprotokolle
Swetlana Alexijewtisch: Tschernobyl
Jean Améry: Über das Altern
Teresa von Avila: Das Buch meines Lebens
Walter Benjamin: Träume
Silvia Bovenschen: Sarahs Gesetz
Silvia Bovenschen: älter werden
Joe Brainard: Ich erinnere mich
André Breton: Nadja
Durs Grünbein: Die Jahre im Zoo
Gregor Hens: Nikotin
Barbara Honigmann: Chronik meiner Strasse
Ricarda Huch: Urphänomene
Siri Hustvedt: Die zitternde Frau
Siri Hustvedt: Leben, Denken, Schauen
Olivia Laing: The lonely city
Michel Leiris: Mannesalter
Michel Leiris: Das Heilige im Alltagsleben
Jacques Lusseyran: Das wiedergefundene Licht
Heiner Müller: Traumtexte
Jean-Luc Nancy: Ausdehnung der Seele
Adam Philipps & Barbara Taylor: On Kindness
Michail Rykling: Buch über Anna
Susan Sontag: Das Leiden anderer betrachten
Virginia Woolf: Ein eigenes Zimmer

Requirements for participation, required level

Die Schreibwerkstatt richtet sich an alle Studierende, die literarisch schreiben oder sich im literarischen Schreiben erproben wollen.

Auch diese Scheibwerkstatt wird, wie in jedem Jahr, vom Fach Literaturwissenschaft (Prof. Dr. Wolfgang Braungart) organisiert. Rückfragen beantwortet Herr Braungart (Sprechstunde: Do, 14 - 16 Uhr).

Bibliography

Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung 2015. Marica Bodrožić. Redaktion Michael Braun/Anke Hoff. Sankt Augustin/Berlin 2015. [Kann bei der Adenauer-Stiftung erbeten werden.]

Teaching staff

Dates ( Calendar view )

Frequency Weekday Time Format / Place Period  
one-time Fr 9-18 D3-121 12.05.2017
one-time Sa 9-14 D3-121 13.05.2017
one-time Fr 9-18 D3-121 23.06.2017
one-time Sa 9-14 D3-121 24.06.2017
one-time Di 9-18 C2-136 18.07.2017 Nachholtermin
one-time Mi 9-14 D3-121 19.07.2017 Nachholtermin

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Subject assignments

Module Course Requirements  
23-GER-O Berufsorientierung: "Wissenschaft, Öffentlichkeit, Medien" Praktikumsvorbereitung Student information
23-LIT-LitP9 Kombinationsmodul: Praktische und interdisziplinäre Studien Praxisorientierte Veranstaltung oder sprach- oder schreibpraktische Veranstaltung Study requirement
Student information
Praxisorientierte oder Interdisziplinäre Veranstaltung Study requirement
Student information
Sprach- oder schreibpraktische Lehrveranstaltung Study requirement
Student information
- Graded examination Student information
23-LIT-M-LitPXM Praxismodul Praxisbegleitende Lehrveranstaltung Student information
23-MeWi-HM1 Medien, Sprache und Kultur Lehrveranstaltung I Graded examination
Student information
Lehrveranstaltung II Study requirement
Student information
Lehrveranstaltung III Study requirement
Student information
Lehrveranstaltung IV Study requirement
Student information
25-MeWi-HM6 (Neue) Medien und Lernen Lehrveranstaltung I Graded examination
Student information
Lehrveranstaltung II Study requirement
Student information
Lehrveranstaltung III Study requirement
Student information

The binding module descriptions contain further information, including specifications on the "types of assignments" students need to complete. In cases where a module description mentions more than one kind of assignment, the respective member of the teaching staff will decide which task(s) they assign the students.


Teilnahme an beiden Blöcken; aktive Mitarbeit durch eigene literarische Versuche; Bereitschaft zur (sozial verträglichen) Kritik und sich selber kritisieren zu lassen.

Empfohlen wird zur Vorbereitung auf das Gespräch mit der Autorin, einen Roman, eine Erzählung von Marica Bodrožić vorher zu lesen.

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Limitation of the number of participants:
Limited number of participants: 25
Address:
SS2017_230162@ekvv.uni-bielefeld.de
This address can be used by teaching staff, their secretary's offices as well as the individuals in charge of course data maintenance to send emails to the course participants. IMPORTANT: All sent emails must be activated. Wait for the activation email and follow the instructions given there.
If the reference number is used for several courses in the course of the semester, use the following alternative address to reach the participants of exactly this: VST_88266047@ekvv.uni-bielefeld.de
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Thursday, March 9, 2017 
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Wednesday, June 28, 2017 
Last update rooms:
Wednesday, June 28, 2017 
Type(s) / SWS (hours per week per semester)
block seminar (BS) / 2
Department
Faculty of Linguistics and Literary Studies
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