In den letzten hundert Jahren ist verschiedentlich der Versuch unternommen worden die Soziologie auf phänomenologischer Grundlage oder vor dem Hintergrund einer phänomenologischen Bewusstseins- und Sinnanalyse zu entwickeln. Einer der vielleicht gescheitesten Versuche dazu fand sich im Nachlass von Niklas Luhmann. In diesem Seminar soll dieses Manuskript gelesen und diskutiert werden, das zugleich auch als eine grundlegende Einführung in die Systemtheorie verstanden werden will.
Bewusstsein ist immer Bewusstsein von etwas, ist immer auf eine etwas, einen bestimmten Gegenstand zum Beispiel, ausgerichtet. Eben diese Gerichtetheit bezeichnet der Begriff der Intentionalität. Was uns intentional erscheint, erscheint uns aber immer nur in Abschattungen; wir sehen beispielsweise von einem Ding immer nur die Vorderseite. Nur im Vor- und Rückgriff auf frühere oder zukünftige Bewusstseinsakte oder Wahrnehmungsmodalitäten und nur im Bewusstsein dieser appräsent mitgeführten anderen Möglichkeiten sind wir in Lage überhaupt von ein und demselben etwas oder Ding zu sprechen. Intentionalität ist eine Leistung. Sich etwas klar und deutlich vor Augen zu führen bedarf unter Umständen gar der bewussten Anstrengung und, wer stark übermüdet oder im Drogenrausch ist, vermag vielleicht sogar der Intermittenz seines intentionalen Bewusstsein vage gewahr werden. Genauer zu bestimmen, wie unserem Bewusstsein etwas zur Erscheinung kommt, ist das Anliegen der Phänomenologie.
Der späte Husserl, an den Luhmann vor allem anschließt, hat dabei nun aber insbesondere die Verschränkungen zwischen der Dingwahrnehmung und Weltkonstitution einerseits und der Gegenwart und Relevanz anderer Menschen, also anderer, vermutlich ebenso operierender, aber unmittelbar nicht zugänglicher Bewusstseinssysteme andererseits heraus zu arbeiten gesucht. Erst im Mit- oder Gegeneinander werden wir gewahr, das andere die Dinge vielleicht anders sehen und einen anderen Zugriff vorziehen könnten. Durch die Gegenwart anderer werden uns andere Möglichkeiten präsent, werden wir eines Horizontes von Möglichkeiten gewahr und konstituiert sich als Horizont solcher Horizonte unserer Welt. Soziale Systeme gewinnen ihre je spezifische Kontur über das Verhalten der jeweils involvierten Parteien und damit durch eine Reduktion dieser unabsehbaren Möglichkeiten und Alternativen. Erst durch diese Reduktion und die dadurch ermöglichte Konstitution eines engeren Möglichkeitshorizontes werden vermeintlich Handlungen auch überhaupt erst als bestimmte Handlungen sichtbar, von bloßem Verhalten unterscheidbar und damit anschlussfähig. Luhmanns promiente Formel von der Reduktion und Erweiterung von Komplexität als dem kaum mehr zu überbietenden Bezugsproblem soziologischer Analyse wird in diesem Manuskript, wie in kaum einem anderen Text des Autors, mit großer Sorgfalt auseinandergelegt. Diese Argumentation nachzuzeichnen ist das vorrangige Ziel dieses Seminars.
Das Manuskript steht im Lehrnraum zur Verfügung
Frequency | Weekday | Time | Format / Place | Period | |
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weekly | Fr | 14-16 | X-E0-215 | 06.04.-17.07.2020
not on: 5/8/20 |
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one-time | Fr | 14-16 | X-E0-212 | 08.05.2020 |
Module | Course | Requirements | |
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30-M22 Fachmodul Soziologische Theorie/ Geschichte der Soziologie I | 1. Vertiefendes Theorieseminar | Study requirement
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Student information |
2. Vertiefendes Theorieseminar | Study requirement
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- | Graded examination | Student information | |
30-M31 Fachmodul Soziologische Theorie/ Geschichte der Soziologie II (erweitert) | Vertiefendes Theorieseminar 1 | Study requirement
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Student information |
Vertiefendes Theorieseminar 2 | Study requirement
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- | Graded examination | Student information | |
30-M4_ver1 Soziologische Theorie I | Vertiefendes Theorieseminar | Study requirement
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Student information |
- | Graded examination | Student information | |
30-M9 Soziologische Theorie II (Vertiefung) | Vertiefungsseminar zur soziologischen Theorie I | Study requirement
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Student information |
Vertiefungsseminar zur soziologischen Theorie II | Study requirement
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Student information | |
- | Graded examination | Student information |
The binding module descriptions contain further information, including specifications on the "types of assignments" students need to complete. In cases where a module description mentions more than one kind of assignment, the respective member of the teaching staff will decide which task(s) they assign the students.
In diesem Seminar können Sie auf zwei verschiedenen Wegen eine Studienleistung erwerben.
Entweder durch aktive Teilnahme an den Zoom Sitzungen, wobei es unvermeidlich sein wird, dass Sie sich auch ihren Audiokanal einschalten, denn gesichtslos lassen sich Lektüre und Diskussion nur schwer koordinieren, oder aber durch Erstellen einer kurzen Hausarbeit, die sich auf etwa zehn Seiten einem der Kapitel des Manuskriptes widmen sollte, wobei eine Teilnahme an den einzelnen Sitzungen nicht verpflichtend ist. Eine Prüfungsleistung können Sie erbringen indem Sie eine Hausarbeit schreiben oder indem Sie ein Kapitel oder Unterkapitel im Seminar präsentieren und dazu eine schriftlichge Ausarbeitung verfassen.