220110 Verflochtene Krisen: Naturkatastrophen, Hunger und Epidemien in Gesellschaften der Frühen Neuzeit (S) (WiSe 2023/2024)

Klimakrise, Coronakrise, Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, Energiekrise...in unserer momentanen Gegenwart scheinen sich auf extreme Weise verschiedene, zum Teil miteinander verbundene Krisenphänomene zu überlagern oder zu koinzidieren. Diese Art der Verflechtung oder Überlagerung von Krisenphänomenen ist jedoch historisch gar nicht ungewöhnlich, sondern eher die Regel, insbesondere in vormodernen Gesellschaften. Anhand von Beispielen klimatischer Extremereignisse, Hungersnöten und Epidemien in der Frühen Neuzeit, legt dieser Kurs besonderes Augenmerk auf diese gegenseitige Bedingung von Krisenphänomenen (bzw. auch auf ihrer nicht-Verbundenheit, die selbstverständlich ebenfalls vorkommt), ohne gleichzeitig epochenspezifische gesellschaftliche Charakteristika aus den Augen zu verlieren. Der geographische Fokus des Kurses liegt auf Europa und den Amerikas. Auf konzeptueller Ebene beschäftigen wir uns mit den Begriffsdefinitionen bzw. -Geschichten der Katastrophe/ Disaster und den katastrophengeschichtlichen Konzepten von Verwundbarkeit, Resilienz und Anpassung. Mit diesem Themenspektrum erhalten wir Einblick in eine Reihe von historischen und zum Teil sehr interdisziplinären Forschungsfeldern, der historischen Katastrophenforschung (einem Unterfeld der Umweltgeschichte), der Klimageschichte, der Hungerforschung (bzw. historischen Ernährungsforschung), der Medizingeschichte, aber auch der politischen, sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Einige dieser höchst aktuellen Forschungsdebatten werden ausschließlich in englischer Sprache geführt. Eine Kursvoraussetzung ist daher eine gute Lesefähigkeit des Englischen und die Bereitschaft, wissenschaftliche Texte in Englisch zu lesen.

Diese Historische Orientierung ist konzeptuell mit dem Seminar "Die Geschichte der Pest von Konstantinopel bis Marseille, 542-1722" (Kursnr. 220106) verbunden und wird als "Modul-Blockveranstaltung" angeboten. Idealerweise werden beide zusammen studiert.

Teilnahmevoraussetzungen, notwendige Vorkenntnisse

Eine Kursvoraussetzung ist eine gute Lesefähigkeit des Englischen und die Bereitschaft, wissenschaftliche Texte in Englisch zu lesen.

Literaturangaben

Bavel, B. J. P. van, Daniel R. Curtis, Jessica Dijkman, Matthew Hannaford, Maïka De Keyzer, Eline Van Onacker, and Tim Soens: Disasters and History: The Vulnerability and Resilience of Past Societies. Cambridge, UK: Cambridge University Press, 2020.
Collet, Dominik. "„Vulnerabilität“ als Brückenkonzept der Hungerforschung." In Handeln in Hungerkrisen. Neue Perspektiven aus soziale und klimatische Vulnerabilität, edited by Dominik Collet, Thore Lassen and Ansgar Schanbacher. 13-26. Göttingen: Universitätsverlag Göttingen, 2012.
Groh, Dieter / Kempe, Michael / Mauelshagen, Franz (Hg.): Naturkatastrophen: Beiträge zu ihrer Deutung, Wahrnehmung und Darstellung in Text und Bild von der Antike bis ins 20. Jahrhundert. Tübingen: Narr, 2003.
Hoffmann, Richard C.: An Environmental History of Medieval Europe. Cambridge; New York: Cambridge University Press, 2014.
Mauelshagen, Franz: "Defining Catastrophe“. In: Catastrophe and Catharsis. Perspectives on Disasters and Redemption in German Culture and Beyond, hg. von Katharina Gerstenberger und Tanja Nusser. Rochester: Camden House, 2015, S. 172-190.
Rohland, Eleonora, and Virginia García Acosta. "Disasters." In Rethinking the Americas: The Routledge Handbook on Political Economy and Governance in the Americas, edited by Olaf Kaltmeier and Eleonora Rohland. 351-59. New York: Routledge, 2020.
Rohland, Eleonora. "Corona, Klima und weisse Suprematie - Multiple Krisen oder eine? ." In Die Corona-Gesellschaft. Analysen zur Lage und Perspektiven für die Zukunft, edited by Christian Keitel, Michael Volkmer and Karin Werner. 45-53. Bielefeld: Transcript, 2020.