300259 Dokumentenanalyse (MA: Soziologische Methoden - qualitativ) (S) (SoSe 2022)

Inhalt, Kommentar

Gegenstand des Seminars sind Dokumente und die Zugänge zur sozialen Wirklichkeit, die sie der soziologischen Forschung bieten. Der Definition von Stephan Wolff (2012) folgend, können Dokumente als „schriftliche Texte, die als Aufzeichnung oder Beleg für einen Vorgang oder Sachverhalt dienen“ verstanden werden. Sollen sie für eine soziologische Analyse ernst genommen werden, so verbietet es sich, Dokumente lediglich als ‚Container‘ zu behandeln, die, etwa mit inhaltsanalytischen Methoden, auf darin möglicherweise enthaltene Informationen durchforstet werden (Prior 2003: 3). Vielmehr handelt es sich um aktive Artefakte, die über ihre formale und materielle Gestaltung unmittelbar an sozialen Herstellungsprozessen beteiligt sind. Diese Herangehensweise ist vor allem durch die Ethnomethodologie geprägt. So hat Harold Garfinkel bereits früh gezeigt, dass Dokumente eigentlich ohne ihre Einbettung in einen praktischen Handlungszusammenhang gar nicht lesbar sind (Garfinkel 1967). Gleichzeitig müssen sie als eigene Ebene sozialer Realität ernst genommen werden (Smith 1974).

In diesem Sinne sind Dokumente genuin ‚moderne‘ Artefakte, die eng mit Prozessen der Kategorisierung und Standardisierung verbunden sind. Zum einen folgt daraus eine besondere Bedeutung für bürokratische Vorgänge jeder Art. Zum anderen ergibt sich eine zweifache Affinität zum Gegenstandsbereich der Technik bzw. technischen Prozessen: So können Dokumente (und Schrift im Allgemeinen) erstens selbst als eine Form von Technik begriffen werden. Zweitens tritt uns Technik im Alltag häufig dokumenthaft gegenüber: Als Anleitungen, Fehlermeldungen, Instruktionen, Quellcode oder Lizenzvereinbarungen bzw.den Benutzerinterfaces selbst.

Damit bietet sich die Dokumentenanalyse für aktuelle Forschungsthemen, v. A. Im Anschluss an techniksoziologische Fragestellungen an. Theoretische Bezugspunkte finden sich neben der Ethnomethodologie (Suchman 2007) zur Akteur-Netzwerk-Theorie (i.e. Latour 2005), aber auch im Bereich der Infrastrukturforschung (Star 2017).

In methodologischer Hinsicht sind Überscheidungspunkte mit ethnographischen (Hammersley/Atkinson 2019) oder auch konversationsanalytischen Verfahren (Rouncfield et al. 2011) denkbar.

Das Seminar verbindet die praktische Arbeit am Datenmaterial mit weitergehenden theoretischen Betrachtungen. Methodische Zugänge zu Schriftdokumenten werden erprobt und methodologisch sowie theoretisch eingeordnet.

Literaturangaben

Bowker, Geoffrey C.; Star, Susan Leigh (2000): Sorting things out. Classification and its consequences. First paperback edition. Cambridge, Massachusetts, London, England: The MIT Press (Inside technology).

Garfinkel, Harold (1967): “Good organizational reasons for ‘bad’ clinical records”. In: ders.: Studies in ethnomethodology. Reprint. Cambridge: Polity Press [u.a.].

Prior, Lindsay (2003): Using documents in social research. Los Angeles, Calif. [u.a.]: SAGE (Introducing qualitative methods).

Rooksby, John (2011): Text at Work: Mundane Practices of Reading in Workplaces. In Mark Rouncefield, Peter Tolmie (Eds.): Ethnomethodology at work. Farnham [u.a.]: Ashgate (Directions in ethnomethodology and conversation analysis), pp. 173–189.

Smith, Dorothy (1974): The Social Construction of Documentary Reality. In: Sociological Inquiry 44 (4): pp. 257-268.

Star, Susan Leigh (2017): Institutionelle Ökologie, 'Übersetzungen' und Grenzobjekte. Amateure und Professionelle im Museum of Vertebrae Zoology in Berkeley 1907-39. In Susan Leigh Star: Grenzobjekte und Medienforschung. Susan Leigh Star ; hg. von Sebastian Gießmann und Nadine Taha. Bielefeld: Transcript (Locating Media / Situierte Medien, 10), 81–115.

Wolff, Stefan (2012): Dokumenten- und Aktenanalyse. In Uwe Flick (Ed.): Qualitative Forschung. Ein Handbuch. Orig.-Ausg., 9. Aufl. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt-Taschenbuch-Verl, 502–513.

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316448200