300060 Postfeminismus, Identitätspolitik und die Klassenfrage. (De)Konstruktivistische Perspektiven auf Geschlecht, Klassenkampf und weiße Männlichkeit (S) (WiSe 2018/2019)

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Kaum eine Debatte hat innerhalb der feministischen Bewegung in letzter Zeit für so viele Diskussionen gesorgt wie die um Identitätspolitik versus Klassenkampf. Dabei wird gerade dem Postfeminismus vorgeworfen, er habe sich durch seine Fokussierung auf die Rechte von sexuellen und kulturellen Minderheiten nur noch um kulturelle Identitätsfragen gekümmert und dabei die Klassenfrage weitgehend aus den Augen verloren. Die Repräsentation sexueller und queerer Identitäten sowie das Insistieren auf eine gendergerechte Sprache hätten dazu geführt, dass die Interessen und Anerkennungsbedürfnisse der Mehrheitsgesellschaft in feministischen Diskursen vernachlässigt wurden. Insbesondere die Anliegen der weißen Arbeiterklasse und deren Kampf gegen Ausbeutung und Prekarisierung seien ignoriert worden. Dies habe, so die Kritik, auch zum Erfolg der Neuen Rechten und des Rechtspopulismus beigetragen.

Schaut man genauer hin, ergibt sich jedoch ein differenzierteres Bild. Die Kämpfe gegen Sexismus, Rassismus und die Diskriminierung von Minderheiten beinhalten oft auch eine Kritik der internationalen Arbeitsteilung und der prekären ökonomischen Verhältnisse von Frauen, LGBTs und Migrant*innen. Umgekehrt geht es in den sozialen Kämpfen der weißen Arbeiter*innen nicht nur um ökonomische Verteilungsfragen, sondern auch um Identität, kulturelle Lebensweisen und gesellschaftliche Anerkennung. Zudem stellt auch die Verteidigung weißer Vorherrschaft und weißer Privilegien eine Form von Identitätspolitik dar.

Gleichwohl ist der Vorwurf der Klassenvergessenheit nicht gänzlich unbegründet. Der feministische Diskurs um Intersektionalität, in der vor allem die Wechselwirkungen und die gegenseitige Durch­dringung der Ungleichheitsfaktoren Geschlecht, Klasse und Ethnizität untersucht wird, weist hinsichtlich des Klassenaspekts in der Tat Leerstellen auf. Zu fragen ist auch, ob die poststruktura­listischen, dekonstruktivistischen und queeren Ansätze in feministischen Theorieansätzen und Bewegungen nicht eine Mitschuld an der Vernachlässigung sozialer Gerechtigkeitsthemen haben.

Daher wollen wir uns in diesem Seminar zunächst den Themen Postfeminismus, Queer-Theorie und Dekonstruktion widmen. Dazu werden wir uns intensiver mit der Philosophie Derridas und der Position Butlers beschäftigen. Der dekonstruktive Feminismus bewegt sich auf der Ebene von Sprache, Text und Bedeutungskonstitution und unterstreicht, dass jeglicher Zugriff auf den Körper oder das Subjekt in einem diskursiven Rahmen erfolgt. Identitätspolitik kann sich folglich nicht auf außer-diskursive Identitäten und Zugehörigkeiten beziehen, sondern muss in Rechnung stellen, dass alle Phänomene wie „Frauen“, „das Patriarchat“ oder „Klassen“ Effekte diskursiver Zuschreibung und Differenzierung sind.

Daran anschließend wollen wir klären, was gegenwärtig unter Identitätspolitik verstanden wird und in wie weit der behauptete Gegensatz von partikularer Identitätspolitik und universellem Klassenkampf überhaupt trägt. Ferner soll nachvollzogen werden, warum Identitätspolitik zur Zielscheibe antiliberaler aber auch linker Positionen geworden ist. In diesem Kontext soll auch die Frage berücksichtigt werden, ob von linksliberaler Seite möglicherweise nicht zu viel, sondern zu wenig Identitätspolitik betrieben wird, weil z.B. für weiße Cis-Männer kaum positive Möglichkeiten der Selbstthematisierung angeboten werden. Dies führt zu der Frage, wie heute ein positives Bild von Männlichkeit aussehen könnte, dass nicht die Ausgrenzung und Diskriminierung von Frauen und Minderheiten wiederholt.

Auf dieser Grundlage soll schließlich diskutiert werden, wie sich der Postfeminismus weiter entwickeln müsste, um sowohl die Anliegen sexueller und kultureller Minderheiten als auch die der Mehrheitsgesellschaft zu berücksichtigen.

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30-M-Soz-M9a Geschlechtersoziologie a Seminar 1 Study requirement
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30-M-Soz-M9b Geschlechtersoziologie b Seminar 1 Study requirement
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30-MGS-4 Hauptmodul 3: Arbeit und gesellschaftliche Transformationen Seminar 1 Study requirement
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Geschlechterforschung in der Lehre    

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Thursday, July 19, 2018 
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