220032 Diktaturvergleich, Systemvergleich? Die historische Komparatistik und die deutsche Zeitgeschichte (GSH+Ü) (WiSe 2015/2016)

Der Vergleich bietet dem Historiker die Möglichkeit, politische, rechtliche, soziale und ökonomische sowie auch kulturelle Entwicklungspfade moderner Gesellschaften zu erforschen. Mittels der verschiedenen Vergleichsgegenstände ist es außerdem möglich, zu fundierten Aussagen hinsichtlich Unterschieden, Gemeinsamkeiten, aber auch gegenseitigen Beeinflussungen und Transfers zu kommen. Gleichzeitig zeigt die laufende Debatte über Mehrwert und Defizite der historischen Komparatistik u.a., wie wichtig die methodisch kontrollierte Durchführung ist, um seriöse Ergebnisse zu erhalten.
Im ersten Teil des Seminars soll mittels der Lektüre und Diskussion von Grundlagentexten zur Methodik der Komparatistik Sicherheit in der Durchführung des Vergleichs gewonnen werden. Der zweite Teil besteht aus der Diskussion von Fallbeispielen und der eigenständigen Anwendung der Methode.
Die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts bietet dabei gleichzeitig Anwendungs- und Kampffeld für den historischen Vergleich. Einerseits geben Schlagwörter wie „Diktaturvergleich“ und „Systemvergleich“ einen ersten Einblick in die Chancen diachroner und synchroner Untersuchungen. Andererseits wird auch deutlich, wie schnell der Vergleich zwischen dem „Dritten Reich“ und der DDR zu einer Gleichsetzung beider Diktaturen führen oder der Vergleich zwischen Bundesrepublik und DDR schnell zur Siegerjustiz verkommen kann.
Voraussetzungen für das Seminar sind eine gesunde Neugier und die Bereitschaft, sich bisher unbekannten Herangehensweisen der Geschichtswissenschaft zu öffnen. Grundlagenkenntnisse zur Geschichte der NS-Diktatur, der DDR und der Bundesrepublik sind wünschenswert (bzw. sollten zur Allgemeinbildung gehören), können aber auch parallel zur Veranstaltung erworben werden. Dazu kommt natürlich die Bereitschaft, die den Sitzungen zugrundeliegenden Texte zu lesen und (schriftlich) vorzubereiten.

Teilnahmevoraussetzungen, notwendige Vorkenntnisse

Bitte informieren Sie sich vor dem Besuch der Veranstaltung, in welcher Form sie diese im Rahmen Ihres Studiums als Studienleistung einsetzen möchten. Erfahrungsgemäß geht ansonsten durch die Klärung dieser Sachverhalte (zu) viel Zeit in den Seminarsitzungen verloren.

Literaturangaben

G. Budde/S. Conrad/O. Janz (Hg.), Transnationale Geschichte. Themen, Tendenzen und Theorien, Göttingen 2006.
D. Cohen u. M. O’Connor (Hg.), Comparison and History. Europe in Cross-National Perspective, New York 2004.
H.-G. Haupt u. J. Kocka (Hg.), Geschichte und Vergleich. Ansätze und Ergebnisse international vergleichender Geschichtsschreibung, Frankfurt a. M. 1996.
H. Kaelble, Der historische Vergleich: eine Einführung zum 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt a. M. u. a. 1999.
H. Kaeble u. J. Schriewer (Hg.), Vergleich und Transfer, Komparatistik in den Sozial-, Geschichts- und Kulturwissenschaften, Frankfurt a. M. 2003.
J. Kocka/T. Nipperdey (Hg.), Theorie und Erzählung in der Geschichte, München 1979.
M. Middell, Kulturtransfer und Historische Komparatistik – Thesen zu ihrem Verhältnis, in: Comparativ 10 (2000), S. 7-41.
T. Welskopp, Stolpersteine auf dem Königsweg. Methodenkritische Anmerkungen zum internationalen Vergleich in der Gesellschaftsgeschichte, in: Archiv für Sozialgeschichte 35 (1995), S. 339-367.
T. Welskopp, Vergleichende Geschichte, in: Europäische Geschichte Online (EGO), 2010, S. 1–18, http://www.ieg-ego.eu/de/threads/theorien-und-methoden/vergleichende-geschichte/thomas-welskopp-vergleichende-geschichte (08.06.2015).
M. Werner, Vergleich, Transfer, Verflechtung. Der Ansatz der Histoire croisée und die Herausforderung des Transnationalen, in: Geschichte und Gesellschaft 28 (2002), S. 607-636.