Weder Vergleiche und ihre Kommunikation noch auch Formen der Bewertung und der Zuschreibung von Leistung sind in der modernen Gesellschaft neue Phänomene. Im Gegenteil. Die moderne Gesellschaft ist durchzogen von Vergleichen, und sie ist möglicherweise wie keine ihrer Vorläufer vergleichsaffin. Ähnliches gilt für Phänomene der Leistung. So beschreibt sich die moderne Gesellschaft zum einen ihrem normativen Selbstverständnis nach als „Leistungsgesellschaft“, d.h. als eine Gesellschaft, in der die Erwartung institutionalisiert ist, dass individuelle Statusallokation nach Maßgabe erbrachter Leistungen („achievement“) erfolgt. Zum anderen und zugleich setzt erst sie Formen der Rationalisierung und Steigerung von sachlichen Möglichkeiten frei, die ihrerseits in Semantiken von Leistung beschrieben und verglichen werden („performance“, „efficiency“, „service“ usw.). Sie betreffen dabei keineswegs nur Individuen, sondern auch Organisationen.
Insbesondere die rezente Explosion von leistungsbezogenen Vergleichsverfahren und Vergleichstechniken (man denke nur an Ratings, Rankings, Benchmarkings, Audits, Evaluationen usw.) scheint sogar aufs Engste mit Organisationen verbunden zu sein. Nicht nur sind es typischerweise Organisationen, die Leistungsvergleiche initiieren, über deren Kriterien befinden und sie durchführen, sondern auch werden Organisationen selbst immer häufiger zur Zurechnungseinheit von Leistungsbewertungen sowie von mithin öffentlichen Formen der Kommunikation von Leistungsvergleichen und -bewertungen, einschließlich der Platzierung in Ranglisten. Sind die Sachkriterien von Leistungsvergleichen einerseits immer kontingent gewählt, weisen die Bewertungsmaßstäbe von Leistung und die Kriterien von Vergleichen andererseits darauf hin, dass es keineswegs um rein organisatorische Maßstäbe und Phänomene geht. Vielmehr sind Leistungsvergleiche typischerweise in Funktionskontexte der Gesellschaft – wie Wirtschaft, Politik, Erziehung, Sport, Gesundheit, Wissenschaft… – eingebettet und erhalten mit Bezug auf sie ihren nicht nur sozialen, sondern auch genuin gesellschaftlichen Sinn. Wie diese gesellschaftliche Einbettung aussieht und wie und mit welchen Folgen sie mit Organisationen verknüpft ist, gehört zu den Fragen, auf die wir im Seminar Antworten suchen wollen.
Wenngleich sich mit Leistungsvergleichen gesellschaftliche Rationalisierungsdynamiken und Steigerungseffekte verbinden, wollen wir gegenüber ‚modernisierungstheoretischen‘ Interpretationen der Proliferation von Leistungsvergleichen kritisch sein. Das Seminar soll im Blick auf Funktionen und Folgen des Leistungsvergleichs auch den Blick für Grenzen leistungsbezogener Vergleichslogiken öffnen, für Brüche, die mit der Durchsetzung und Implementierung von Leistungsvergleichen einhergehen, für Widerständigkeiten, Blockaden und Konflikte, die mit der Einführung und Etablierung von Vergleichstechniken verbunden sind. So ist etwa zu vermuten, dass Leistungsvergleiche vielfach (auch oder lediglich) einen rituellen oder inszenatorischen Wert haben, sie mithin folgenlos bleiben. Fast noch interessanter ist die Frage, inwieweit sich infolge der Proliferation von Leistungsvergleichen Formen von ‚Schutzzonen‘ oder ‚vergleichsfeindliche‘ Strukturen herausbilden, die sich der Freisetzung von Leistungsvergleichen entziehen.
Schon weil der Forschungsstand zum Thema als eher ‚verstreut‘ zu bezeichnen ist, wird das Seminar einen forschenden und explorativen Charakter haben. Das bedeutet, dass wir anhand der Diskussion von empirischen Evidenzen einsteigen und das Thema dann mit Hilfe grundlegender Texte gewissermaßen ‚einklammern‘. Sodann wollen wir auf spezielle Kontexte und auch Fälle zu sprechen kommen. Das Seminar lädt Studierende ein, das Rahmenthema von Anfang an mit Blick auf spezielle Kontexte und entsprechende Fälle zu verfolgen und zu bearbeiten – sei es mit Blick auf mögliche Hausarbeiten oder mögliche Masterarbeiten.
Heintz, Bettina (2010): Numerische Differenz. Überlegungen zu einer Soziologie des (quantitativen) Vergleichs. In: Zeitschrift für Soziologie 39: 162-181.
Arzberger, Klaus (1988): Über die Ursprünge und Entwicklungsbedingungen der Leistungsgesellschaft. In: Hondrich, K-O. u.a. (Hrsg.), Krise der Leistungsgesellschaft? Empirische Analysen zum Engagement in Arbeit, Familie und Politik. Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 23-49.
Frequency | Weekday | Time | Format / Place | Period |
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Module | Course | Requirements | |
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30-M-Soz-M6a Organisationssoziologie a | Seminar 1 | Study requirement
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Seminar 2 | Study requirement
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- | Graded examination | Student information | |
30-M-Soz-M6b Organisationssoziologie b | Seminar 1 | Study requirement
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Seminar 2 | Study requirement
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- | Graded examination | Student information | |
30-M-Soz-M6c Organisationssoziologie c | Seminar 1 | Study requirement
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Seminar 2 | Study requirement
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- | Graded examination | Student information |
The binding module descriptions contain further information, including specifications on the "types of assignments" students need to complete. In cases where a module description mentions more than one kind of assignment, the respective member of the teaching staff will decide which task(s) they assign the students.