300138 Soziologie auf phänomenologischer Grundlage (S) (SoSe 2023)

Inhalt, Kommentar

In den letzten hundert Jahren ist verschiedentlich der Versuch unternommen worden die Soziologie auf phänomenologischer Grundlage oder vor dem Hintergrund einer phänomenologischen Bewusstseins- und Sinnanalyse zu entwickeln. Einer der vielleicht gescheitesten Versuche dazu fand sich im Nachlass von Niklas Luhmann. In diesem Seminar soll dieses Manuskript gelesen und diskutiert werden, das zugleich auch als eine grundlegende Einführung in die Systemtheorie verstanden werden will.

Bewusstsein ist immer Bewusstsein von etwas, ist immer auf eine etwas, einen bestimmten Gegenstand zum Beispiel, ausgerichtet. Eben diese Gerichtetheit bezeichnet der Begriff der Intentionalität. Was uns intentional erscheint, erscheint uns aber immer nur in Abschattungen; wir sehen beispielsweise von einem Ding immer nur die Vorderseite. Nur im Vor- und Rückgriff auf frühere oder zukünftige Bewusstseinsakte und die unterschiedlichen ihnen oft eigenen Wahrnehmungsmodalitäten und nur im Bewusstsein dieser appräsent mitgeführten anderen Möglichkeiten sind wir in Lage überhaupt von ein und demselben etwas oder Ding zu sprechen. All dies aber geschieht quasi selbstläufig und nur aussnahmsweise im Modus expliziter Reflexion. Intentionalität ist eine Leistung. Sich etwas klar und deutlich vor Augen zu führen bedarf unter Umständen gar der bewussten Anstrengung und, wer stark übermüdet oder im Drogenrausch ist, vermag vielleicht sogar der Intermittenz seines intentionalen Bewusstsein vage gewahr werden. Genauer zu bestimmen, wie unserem Bewusstsein etwas zur Erscheinung kommt, ist das Anliegen der Phänomenologie.

Der späte Husserl, an den Luhmann vor allem anschließt, hat dabei nun aber insbesondere die Verschränkungen zwischen der Dingwahrnehmung und Weltkonstitution einerseits und der Gegenwart und Relevanz anderer Menschen, also anderer, vermutlich ebenso operierender, aber unmittelbar nicht zugänglicher Bewusstseinssysteme andererseits heraus zu arbeiten gesucht. Erst im Mit- oder Gegeneinander werden wir gewahr, das andere die Dinge vielleicht anders sehen und einen anderen Zugriff vorziehen könnten. Durch die Gegenwart anderer werden uns andere Möglichkeiten präsent, werden wir eines Horizontes von Möglichkeiten gewahr und konstituiert sich als Horizont solcher Horizonte unserer Welt. Soziale Systeme gewinnen ihre je spezifische Kontur über das Verhalten der jeweils involvierten Parteien und damit durch eine Reduktion dieser unabsehbaren Möglichkeiten und Alternativen. Erst durch diese Reduktion und die dadurch ermöglichte Konstitution eines engeren Möglichkeitshorizontes werden vermeintlich Handlungen auch überhaupt erst als bestimmte Handlungen sichtbar, von bloßem Verhalten unterscheidbar und damit anschlussfähig. Luhmanns promiente Formel von der Reduktion und Erweiterung von Komplexität als dem kaum mehr zu überbietenden Bezugsproblem soziologischer Analyse wird in diesem Manuskript, wie in kaum einem anderen Text des Autors, mit großer Sorgfalt auseinandergelegt. Diese Argumentation nachzuzeichnen ist das vorrangige Ziel dieses Seminars.

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30-M9 Soziologische Theorie II (Vertiefung) Vertiefungsseminar zur soziologischen Theorie I Studienleistung
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Bei diesem Seminar handelt es sich um einen Lektürekurs. Wir werden ein Manuskript lesen und diskutieren. Wenn Sie eine Studienleistung anstreben, sollten Sie zudem die Gestaltung einer Sitzung übernehmen und sich entsprechend auf den zu verhandelnden Textabschnitt vorbereiten.

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Mittwoch, 1. Februar 2023 
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Freitag, 24. März 2023 
Letzte Änderung Räume:
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Art(en) / SWS
Seminar (S) / 2
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