Bei der Darstellung der Romvölker in der europäischen Literatur lassen sich drei große Phasen unterscheiden. In der ersten Phase zwischen 1400 und 1800 geht es grob gesagt darum, dass die europäischen Gesellschaften, die sich auf der Schwelle zur Moderne befinden, nach unterschiedlichen Wahrnehmungsmustern suchen, um den nach 1400 in nahezu sämtlichen Regionen auftauchenden Fremden, die in Deutschland Zigeuner, in den Niederlanden Heiden, in England Egyptians genannt werden, einen gesellschaftlichen Ort zuzuweisen. Dieser Vorgang ist von Beginn an mit einem hohen Grad an Emotionalität verbunden und von Abwehr, Ausgrenzung und Verfolgung begleitet. Als in der aufgeklärten Anthropologie um 1800 entdeckt wird, dass die ‘Zigeuner’ ein aus Indien stammendes Volk mit einer eigenen, aus dem Sanskrit sich entwickelnden Sprache sind, setzen zwei gegenläufige Tendenzen ein, die sich in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts in der ethnographischen Forschung kreuzen. Zum einen geht es um die Degradierung von nun „Indoeuropäern“ zu einem parasitären und zivilisationsresistenten Pariavolk, zum anderen um die mediale Repäsentation des romantischen Zigeuners (und vor allem der Zigeunerin) als eines (sehr differenzierten und vielfältigen) Gegenentwurfs zur bürgerlichen Industriegesellschaft. Die dritte Phase setzt gegen Endes des 19. Jahrhunderts ein, als auch das in wissenschaftlichen Kontexten zusammengetragene und einem breiten Publikum vermittelte ethnographische Wissen durch Kriminalbiologie und Rassentheorien, die stets mit biopolitischen Maßnahmen verbunden sind, entwertet wird und aus den archaischen Normaden pathologische ‘Asoziale’ und ‘Arbeitsscheue’ werden. In diesem Seminar werden wir auf das 19. und 20. Jahrhundert konzentrieren und literarische Werke aus unterschiedlichen europäischen Ländern vergleichen.
Vorausgesetzt wird die Kenntnis der unter 'Literaturangaben' aufgeführten Werke. In der ersten Sitzung werden die Textkenntnisse über folgende Titel in einem schriftlichen Test abgesprüft: von Arnim, Mèrimèe, Gorki, Hackl. Das Bestehen dieses Tests ist Voraussetzung für eine Teilnahme am Seminar. Kompetenzen werden vorrangig im Seminargespräch erworben. Deshalb ist eine regelmäßige Teilnahme unerlässlich.
Arnim, Achim von: Isabella (Deutschland)
Puschkin, Alexander Sergejewitsch: Die Zigeuner [wird eingescanned] (Russland)
Mèrimèe, Prosper: Carmen (Frankreich)
Gorki, Maxim: Makar Tschudra [wird eingescanned] (Russland)
Strindberg, August: Tschandala (Schweden)
Wedding, Alex: Ede und Unku (Deutschland)
Wittkopp, Justus Franz: Mirella [wird eingescanned] (Deutschland)
O‘Flaherty, Liam: Das Zelt [wird eingescanned] (Irland)
Walser, Martin/ Scheib, Asta: Armer Nanosh (Deutschland)
Arpad der Zigeuner [ZDF Fernsehserie] (europäische Produktion)
Hackl, Erich: Abschied von Sidonie (Österreich)
Rhythmus | Tag | Uhrzeit | Format / Ort | Zeitraum |
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Modul | Veranstaltung | Leistungen | |
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23-DAF-M-DAFGER-GLit Profilmodul: Germanistische Literaturwissenschaft: Literatur in historisch-generischer Perspektive | Seminar 1 | Studienleistung
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Studieninformation |
Seminar 2 | Studienleistung
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Studieninformation | |
Seminar 3 | benotete Prüfungsleistung
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Studieninformation | |
23-LIT-M-LitGM2 Grundlagenmodul 2: Vergleichende Literaturwissenschaft/Literaturgeschichte | Europäische Literaturgeschichte I | Studieninformation | |
Europäische Literaturgeschichte II | Studieninformation |
Die verbindlichen Modulbeschreibungen enthalten weitere Informationen, auch zu den "Leistungen" und ihren Anforderungen. Sind mehrere "Leistungsformen" möglich, entscheiden die jeweiligen Lehrenden darüber.
Studiengang/-angebot | Gültigkeit | Variante | Untergliederung | Status | Sem. | LP | |
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Deutsch als Fremdsprache und Germanistik / Master | (Einschreibung bis SoSe 2012) | MaDaFG-GLit | 3/7 | ||||
Literaturwissenschaft / Master | (Einschreibung bis SoSe 2012) | MaLit2 | 3/7 | ||||
Studieren ab 50 |
Voraussetzungen für eine erfolgreiche Teilnahme am Seminar: Kontinuierliche Teilnahme, Übernahme eines Referats (als Gruppenreferat möglich), schriftliche Hausarbeit für einen benoteten Schein