239876 Lyrik und Magie (S) (WiSe 2012/2013)

Zu den ältesten Zeugnissen nicht nur der deutschen Literaturgeschichte zählen Zaubersprüche und sog. "Segen", bei denen es sich um Zaubersprüche in christlichem Gewand handelt. Ist es Zufall, dass sie stets in gebundener Sprache überliefert sind? Und hat diese frühe Verbindung von Magie und Lyrik Konsequenzen für die weitere Lyrikgeschichte gehabt? Heinz Schlaffer jedenfalls geht davon aus, dass magische Qualitäten bis heute gute Lyrik kennzeichnen, auch wenn die Funktionen sich verändert haben. Indem Marie Luise Kaschnitz ihren Gedichtband von 1972 "Kein Zauberspruch" nennt, bestätigt sie indirekt diese Erwartung, Gedichte könnten auch heute etwas mit Zauber zu tun haben.
Dieses Seminar befasst sich mit den magischen Aspekten der Lyrik in verschiedenen Zeiten und Literaturen. Die gesellschaftliche Einbindung magischer Texte wird dabei ebenso Gegenstand sein wie die eingehende Interpretation verschiedener Gedichte. Wenn möglich, soll die musikalische Performanz in die Seminararbeit einbezogen werden.

Literaturangaben

Heinz Schlaffer: Geistersprache. Zweck und Mittel der Lyrik, München 2012, bes. Kap. 11 („Zauber“) und 12 („Liebeszauber“).
Meinolf Schumacher: Geschichtenerzählzauber. Die ‚Merseburger Zaubersprüche’ und die Funktion der historiola im magischen Ritual, in: Erzählte Welt – Welt des Erzählens, hrsg. von Rüdiger Zymner u.a., Köln 2000, S. 201-215.