300311 Perspektiven der Wissensforschung im Anschluss an Nietzsche, Foucault und Luhmann (S) (WiSe 2012/2013)

Gegenstand des Seminars ist eine vergleichende Erschließung der Perspektiven auf das Ver-hältnis von Wissen und Gesellschaft, die sich im Anschluss an Nietzsche, Foucault und Luhmann ergeben. Das Seminar dient damit zugleich einer Einführung in zentrale Fragestellungen und Arbeitsweisen der Wissensforschung.
Sowohl in der Wissenschaftssoziologie als auch in der Wissenssoziologie allgemein liegt seit etwa den 1970er Jahren ein Schwerpunkt der Forschung auf der Entstehung von Wissen aus der Alltagspraxis heraus – sei es der Praxis des wissenschaftlichen Labors, sei es der Praxis diverser kultureller und subkultureller Kontexte. Demgegenüber ist das Interesse am Wandel von Wissensformen in Korrelation mit gesamtgesellschaftlichen Veränderungen in den Hin-tergrund getreten. Während bei Marx, Nietzsche, Mannheim und Scheler eben diese gesellschaftliche Dimension der Wissensforschung zentral war, findet sie sich in der weiteren Entwicklung des Faches lediglich noch in zwei Theorierichtungen, der Archäologie Foucaults und der semantischen Analyse Luhmanns.
Anhand dieser beiden aktuellen Theorieangebote Foucaults und Luhmanns sowie unter Einbeziehung Nietzsches als intellektuellem Gründungsvater einer konstruktivistischen Perspektive auf das Verhältnis von Wissen und Gesellschaft, geht das Seminar drei Fragen nach: ers-tens, wie sich das Verhältnis von Wissen und Gesellschaft aus den verschiedenen Perspektiven heraus theoretisch und empirisch unterschiedlich darstellt bzw. welche Bezüge es gibt; zwei-tens, wie sich die verschiedenen Angebote in der Rezeption und Anwendung weiterentwickelt haben; sowie drittens, welchen Stellenwert eine solche Analyse des Wandels von Wissen und Gesellschaft im Hinblick auf aktuelle soziologische Fragestellungen haben kann. Im ersten Teil des Seminars beschäftigen wir uns mit den Schriften der drei Autoren selbst, insbesondere mit der Genealogie der Moral (Nietzsche), der Archäologie des Wissens (Foucault) und den Studien zu Gesellschaftsstruktur und Semantik (Luhmann). Im zweiten Teil stehen im Zent-rum Anwendungen und Weiterentwicklungen, etwa die Diskursanalyse von Rainer Keller, die Gouvernementalitätsstudien von Ulrich Bröckling und die Studien zur Mode von Elena Esposito. Im dritten Teil diskutieren wir anhand aktueller, gemeinsam bestimmter Themen (beispielsweise der „Energiewende in Deutschland“ oder der „Diversifizierung von Ernährungsweisen“), wie eine Studie auf Basis der diskutierten Ansätze aussehen könnte und welchen spezifischen Beitrag sie leisten kann.

Literaturangaben

Åkerstrøm-Andersen (2003): Discursive Analytical Strategies. Understanding Foucault, Koselleck, Laclau, Luhmann. Bristol.
Foucault (1969): L’archéologie du savoir. Paris.
Knoblauch, Hubert (2005): Wissenssoziologie. Konstanz.
Luhmann, Niklas (1981): Gesellschaftsstruktur und Semantik, Band 1. Frankfurt.
Nietzsche, Friedrich (1887/1991): Zur Genealogie der Moral. Frankfurt.