"Wie sich dem König Midas in Gold verwandelte, was immer er anrührte, so scheint fast alles zum Problem zu werden, was mit diesem Evangelium zusammenhängt" (E. Käsemann).
Das Johannesevangelium ist faszinierend, weil es den christlichen Glauben in einer poetischen, symbolischen, und philosophischen Sprache formuliert, die im Neuen Testament einzigartig ist. Jedem Leser fällt sofort auf, dass diese Sprache zu einer anderen Welt als der Welt der drei anderen Evangelien gehört. "Zuletzt habe Johannes in der Erkenntnis, dass die menschliche Natur in den Evangelien bereits behandelt sei, auf Veranlassung seiner Jünger und vom Geist inspiriert ein geistiges Evangelium verfasst", erklärt Clemens von Alexandrien nach einem Zitat bei Eusebius von Cesaräa (VI,14,7).
Das Matthäus-, Markus- und Lukasevangelium sind Erzählungen, die die Verkündigung der Nähe der Gottesherrschaft und den Weg Jesu zu seinem Tod und zu seiner Auferstehung darstellen. Das Johannesevangelium besteht dagegen aus Zeichen, Dialogen und Reden, in denen sich Jesus als den Weg, die Wahrheit und das Leben offenbart. Es will als Buch der Offenbarung des hinabgestiegenen (Joh 1-12) und zum Vater hinaufgestiegenen Gottessohnes (Joh 13-21) gelesen werden.
Wo findet sich die geistige Welt dieses theologischen Denkens? Im Judentum, in der Nähe der Samariter, in der jüdisch-hellenistischen Philosophie, im heidnischen Hellenismus oder in den frühen Formen der Gnosis? Es ist mit allen verwandt.
Ist das vierte Evangelium das grösste, mystische und geistige Evangelium, wie es Clemens von Alexandrien beschrieb, oder ist es eine grossartige, ketzerische Schrift, die irrtümlich in den Kanon geraten ist, wie es Ernst Käsemann und Luise Schottroff vermutet haben? Seit dem zweiten Jahrhundert hat Johannes sowohl die gnostischen Theologen als auch die Kirchenväter begeistert. Es ist als Autorität rezipiert, kommentiert und benutzt worden. Es ist das Evangelium der orthodoxen Kirchen, aber auch Jehan Calvin, die historische Theologie (Ferdinand Christian Baur, Julius Holtzmann) und die dialektische Theologie (Karl Barth, Rudolf Bultmann) haben seine Sonderstellung hervorgehoben.
Das Ziel der Vorlesung ist es, das johanneische Verständnis der christlichen Botschaft zu interpretieren: Wie ist eine frühchristliche Schule dazu gekommen, ihren Glauben und ihre Erfahrungen mit einer solchen Deutung der Person, der Lehre und des Werkes Jesu zu verstehen und zu verarbeiten?
Der Sinn der Vorlesung ist es, die johanneische Theologie als eines der neutestamentlichen Paradigmen für das Verständnis des Evangeliums wahrzunehmen und ihre Relevanz für die gegenwärtigen Formen des Glaubens und für die Auseinandersetzung mit unserer post-modernen Gesellschaft zu erkennen.
Ferdinand Christian BAUR, Vorlesungen über Neutestamentliche Theologie, Leipzig 1864, 351-407
Rudolf BULTMANN, Theologie des Neuen Testaments, Tübingen 1948-51 (= UTB 630), § 41-50
Ernst KÄSEMANN, Jesu letzter Wille nach Johannes 17, Tübingen 1966
Jürgen BECKER, Johanneisches Christentum, Seine Geschichte und Theologie im Überblick, Tübingen 2003.
Rhythmus | Tag | Uhrzeit | Format / Ort | Zeitraum |
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Studiengang/-angebot | Gültigkeit | Variante | Untergliederung | Status | Sem. | LP | |
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Evangelische Theologie / Bachelor | (Einschreibung bis SoSe 2011) | Kern- und Nebenfach | NT Ic; NT II/1a; NT II/2a | 2 | |||
Evangelische Theologie / Master of Education | (Einschreibung bis SoSe 2014) | NT Ic; NT II/1a; NT II/2a | 2 | ||||
Ev.Religionslehre / Lehramt Sekundarstufe II | B2 | ||||||
Frauenstudien | (Einschreibung bis SoSe 2015) |