Enzyklopädien und Atlanten gelten als Standard für verläßliches Wissen. Näher betrachtet repräsentieren sie jedoch den Wissensstand zu einem bestimmten Zeitpunkt, der bereits am Tag der Veröffentlichung wieder veraltet und unvollständig sein kann. Man kann sie als Versuche bezeichnen, etwas festzuhalten und zu kanonisieren, was sich nicht festhalten lässt. Sie sind also statische Wissensordnungen innerhalb eines dynamischen Prozesses. Das angedeutete Spannungsfeld zwischen Wissensstatik und -dynamik besitzt philosophische, wissenschaftshistorische und -soziologische Bedeutung. Wiederholt wurden Enzyklopädien und Atlanten dabei als methodologische Ideale von Wissen propagiert. Zwar ist weder die Enzyklopädie noch die Kartographie eine Erfindung der Aufklärung. Neu ist seitdem aber das Bemühen um die Homogenisierung und Vereinheitlichung des Wissens und die Verbindung zwischen Text- und Bildgenre. Drei Beispiele aus den letzten 200 Jahren sind besonders auffällig und sollen im Seminar näher untersucht und gegenüber anderen Projekten abgegrenzt werden: die berühmte Encyclopédie von D'Alembert und Diderot, die 28 Bände (darunter 11 reine Bildtafelbände) umfasste, Alexander von Humboldt?s physische Weltbeschreibung im Kosmos, dessen empirische Ergebnisse auch in Berghaus?Atlas Eingang fanden und Otto Neurath?s International Encyclopedia of Unified Science, die eine Wiederbelebung und Umdeutung des philosophisch-methodologischen Anspruchs der Encyclopédie im Sinne des Logischen Empirismus beabsichtigte und ebenfalls Bildtafeln enthalten sollte, hier in der von ihm entwickelten bildstatistischen Universalsprache ISOTYPE.
Neben einer Analyse der jeweiligen Programmatik soll in historischer und soziologischer Perspektive auf folgende Fragestellungen eingegangen werde: Welche Wissensgebiete wurden wie repräsentiert und welche ausgeschlossen, kamen hinzu oder verschwanden wieder aus dem Kanon? Welches Ideal von Wissensordnung stand hinter den Entwürfen? Worin unterscheiden sich die drei Beispiele vom weitverbreiteten Genre der Lexika, von den Fachenzyklopädien oder von Zusammenstellungen wie Die Kultur der Gegenwart? Für wen waren sie gedacht? Bedeuten aktuelle Internet-Projekte wie Wikipedia, an denen sich jeder jederzeit beteiligen kann, die Auflösung der Enzyklopädie als philosophisches Programm und Verläßlichkeitsstandard?
Das Seminar wird für folgende Studiengänge angeboten:
Frequency | Weekday | Time | Format / Place | Period | |
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weekly | Mo | 14-16 | T8-222 | 18.04.-19.07.2005 |
Degree programme/academic programme | Validity | Variant | Subdivision | Status | Semester | LP | |
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Geschichte / Lehramt Sekundarstufe I | A3; A4; B4; C1; D2 | Wahlpflicht | HS | ||||
Geschichte / Lehramt Sekundarstufe II | A3; A4; B4; C1; D2 | Wahlpflicht | HS | ||||
Geschichtswissenschaft / Bachelor | (Enrollment until SoSe 2011) | Kern- und Nebenfach | 3.2.2 | Wahlpflicht | 8 | benotet | |
Geschichtswissenschaft (Hauptfach) / Magister | Wahlpflicht | HS | |||||
Geschichtswissenschaft (Nebenfach) / Magister | Wahlpflicht | HS |