Unser Bild von der politischen Kultur im karolingischen Europa des 8. und 9. Jahrhunderts ist von einem eigenartigen Paradoxon geprägt. Auf der einen Seite ist es unstrittig, dass die Aus-übung oder plausible Androhung militärischer Gewalt eine wesentliche politische Ressource darstellte. Auf der anderen ist sich die Forschung weitgehend einig, dass das Politische und das Religiöse in jener Kultur nicht zu trennen waren und der Begriff der „Kirche“ (ecclesia) den Referenzrahmen für ein solches Denken und Sprechen bildete. In dieser Vorstellung einer politischen Kultur, die ernsthaft versuchte die Imperative christlicher Ethik in politisches Handeln zu übertragen, die in Verhandlungen und Versammlungen ihre Entscheidungen such-te, die sich schriftlich und künstlerisch artikulierte, und in der Kleriker eine prägende Rolle spielten, scheint für eine „frühmittelalterliche Kriegerkultur“ nicht recht Platz zu sein.
Der Frage, was es mit diesem Paradoxon auf sich hat, wollen wir im Seminar nachgehen. Handelt es sich um ein Problem der Geschichtsschreibung in westlichen Demokratien, die ihre Art der politischen Kultur in die Vergangenheit projizieren und mit der militärischen Seite des Politischen fremdeln? Ist das geschilderte Paradoxon für die Zeitgenossen vielleicht gar kei-nes gewesen, da sich christliche Ethik und kriegerisches Handeln ohne weiteres vereinen lie-ßen? Oder wird hier eine gravierende Inkongruenz in der politischen Kultur des 8. und 9. Jahrhunderts sichtbar? Und: Wie erforscht man eigentlich einen Teil der politischen Kultur, der in der erhaltenen Überlieferung weitgehend unsichtbar geworden ist? Über die kritische Interpretation ausgewählter Texte und Objekte wie die Diskussion aktueller Forschungsarbei-ten werden wir uns mit Einzelproblemen befassen, die uns den Antworten auf diese großen Fragen näher bringen werden.
Die Veranstaltung findet geblockt am Ende des Semesters statt.Die Veranstaltung findet geblockt am Ende des Semesters statt.
Christoph Haack, Die Krieger der Karolinger. Kriegsdienste als Prozesse gemeinschaftlicher Organisation um 800. (Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Bd. 115.) Berlin/Boston 2020.
Friedrich Prinz, Klerus und Krieg im früheren Mittelalter. Untersuchungen zur Rolle der Kir-che beim Aufbau der Königsherrschaft (Monographien zur Geschichte des Mittelalters, Bd. 2.) Stuttgart 1971.
Andrew J. Romig, Be a Perfect Man. Christian Masculinity and the Carolingian Aristocracy. Philadelphia (PA) 2017.
Thomas Scharff, Die Kämpfe der Herrscher und der Heiligen. Krieg und historische Erinne-rung in der Karolingerzeit. Darmstadt 2002.
Rachel Stone, Morality and Masculinity in the Carolingian Empire. (Cambridge studies in me-dieval life and thought. Reihe 4, Bd. 81.) Cambridge 2011.
Rhythmus | Tag | Uhrzeit | Format / Ort | Zeitraum | |
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wöchentlich | Fr | 10-12 | unveröffentlicht | 10.10.2022-03.02.2023
nicht am: 30.12.22 / 06.01.23 |
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Block | Fr | 14-18 | X-E0-213 | 03.02.2023 | |
Block | Sa | 9-18 | X-E0-200 | 04.02.2023 | |
Block | So | 9-18 | X-E0-200 | 05.02.2023 |
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22-4.2 Mastermodul Geschichtswissenschaft: Vormoderne
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22-M-4.2 Mastermodul Vormoderne
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22-M-4.4.2 Profilmodul "Geschichte der Vormoderne"
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22-M-4.5.2 Forschungsmodul "Geschichte der Vormoderne"
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Die verbindlichen Modulbeschreibungen enthalten weitere Informationen, auch zu den "Leistungen" und ihren Anforderungen. Sind mehrere "Leistungsformen" möglich, entscheiden die jeweiligen Lehrenden darüber.
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