Für dieses Seminar ist eine überblicksartige Kenntnis der Geschichte des 19 Jahrhunderts in ihren wesentlichen prägenden Ereignissen und Gestalten vorauszusetzen.
Johann Hinrich Wichern (1808-1881) ist der Begründer der Inneren Mission und damit der Erneuerer der christlichen Liebestätigkeit, der Diakonie, ein bedeutender Pädagoge und Gefängnisreformer im 19. Jahrhundert. Seine Auseinandersetzung mit der religiösen, sozialen und politischen Entwicklung seiner Zeit gehört zu den markantesten Versuchen auf Seiten der evangelischen Kirche, den schweren Problemen eines rasant sich entwickelnden Jahrhunderts mit Landflucht, Industrialisierung, Arbeitslosigkeit, Vermassung und Verelendung in den Großstädten hilfreiche Lösungsangebote entgegenzusetzen. Er wollte eine Erneuerung der evangelischen Kirche unter umfangreicher Einbeziehung der Laien auf der reformatorisch-evangelischen Basis des „allgemeinen Priestertums der Gläubigen“ herbeiführen und auf diese Weise zugleich auf gesamtgesellschaftliche Veränderungen hinwirken. – Er gründete, um nur ein Beispiel zu nennen, das berühmte „Rauhe Haus“ in Hamburg-Horn (1833), um Kindern und Jugendlichen unter der Leitung von „Brüdern“ (Diakonen) mit entsprechender theologischer und pädagogischer Ausbildung in Familiengruppen eine Beheimatung und die Chance zu geben, ihre Rolle in der Gesellschaft zu finden und auszufüllen. Damit war der Anfang einer männlichen Diakonie gemacht. –
Diese vorrevolutionäre Zeit größter Armut und Not war voller ideologischer und politischer Spannung und hochexplosiv. Im Jahr der Revolution 1848 erschien im Februar das Manifest der Kommunistischen Partei von Marx und Engels. Im März trieb die Revolution auf ihren Höhepunkt zu. Gab es kirchliche „Reaktionen“? Mit der berühmten Rede Wicherns auf dem Wittenberger Kirchentag im September 1848 und der „Denkschrift an die deutsche Nation“ über „Die innere Mission der deutschen evangelischen Kirche“ (1849) kam es im Rahmen umfangreicher Vereinsgründungen der Inneren Mission zu einem Neuansatz diakonischen Wirkens und Handelns in der evangelischen Kirche, der auch die Gestalt der Kirche in einer Gesellschaft des Umbruchs veränderte.
Wie lässt sich sein theologisches und pädagogisches, sein soziales und politisches Denken und die Auseinandersetzung mit anderen Reformern und Geistern der Zeit beschreiben. Wer war der aus der Erweckung hervorgehenden Theologe Johann Hinrich Wichern und wie ist er der sozialen Frage des 19 Jahrhunderts begegnet? Welche Antworten hatte er? Dies soll an Beispielen erläutert und studiert werden. Als Texte werden u.a. die oben genannte Rede 1848 in Wittenberg sowie Auszüge aus der „Denkschrift“ und aus anderen Schriften Wicherns zu Theologie, Diakonie und Pädagogik herangezogen, die rechtzeitig bekannt gegeben und/oder zur Verfügung gestellt werden.
Forts. Literatur:
Steinacker, Hans u. Schnetter, Oskar (Hrsg.): Johann Hinrich Wichern. Ein Menschenfischer aus Passion. Hänssler, Neuhausen 1998.
Sturm, Stephan: Sozialstaat und christlich-sozialer Gedanke. Johann Hinrich Wicherns Sozialtheologie und ihre neuere Rezeption in systemtheoretischer Perspektive. Kohlhammer, Stuttgart 2007.
Talazko, Helmut: Johann Hinrich Wichern. In: M. Greschat (Hg.), Gestalten der Kirchengeschichte, Bd. 9.2, Stuttgart u.a. 1985, S. 44-63.
Wehr, Gerhard: Herausforderung der Liebe. Johann Hinrich Wichern und die Innere Mission. Verlag Linea, Bad Wildbad 2007.
Zur Anschaffung empfohlen, da hieraus Texte gelesen werden.
Klein, Michael: Feuer der Nächstenliebe: Johann Hinrich Wichern. Der Gründer der inneren Mission in Texten und Bildern. Neukirchen-Vluyn 1998 (Aussaat-Tb. – ISBN 3-7615-3598-8)
Quellen zum Thema:
Deutsche Sozialgeschichte 1815-1870. Ein historisches Lesebuch. Hg.v. W. Pöls. München 1973, 4. Auflage 1988.
Deutsche Sozialgeschichte 1870-1914. Dokumente und Skizzen. Hg.v. G.A. Ritter und J. Kocka München 1974, 3., durchgesehen Aufl. 1982.
Wichern, Johann Hinrich: Sämtliche Werke. Hg.v. P. Meinold. 8 Bde., Berlin und Hamburg 1962 ff.
ders.: Ausgewählte Schriften. Hg.v. K. Janssen. 3 Bde., Gütersloh 1979 (GTB 431-433). [Mit einer sehr lesenswerten Einführung in Werk und Theologie Wicherns!]
Literatur (mit Schwerpunkt auf Wichern):
Albert, Jürgen: Christentum und Handlungsform bei Johann Hinrich Wichern (1808-1881. Studien zum sozialen Protestantismus. Heidelberg 1997 (VDWI 9).
[Umfangreiche Bibliographie!]
Birnstein Uwe: Der Erzieher. Wie Johann Hinrich Wichern Kinder und Kirche retten wollte. Wichern-Verlag, Berlin 2007.
Brakelmann, Günter: Die soziale Frage des 19. Jahrhunderts. Witten 1962 (u.ff.Aufl.).
ders.: Kirche und Sozialismus im 19. Jahrhundert. Die Analyse des Sozialismus und Kommunismus bei Johann hinrich Wichern und Rudolf Todt. Witten 1966.
Gerhardt, Martin: Johann Hinrich Wichern. Ein Lebensbild 3 Bde., Hamburg 1927-1931.
Lindmeier, Bettina: Die Pädagogik des Rauhen Hauses. Zu den Anfängen der Erziehung schwieriger Kinder bei Johann Hinrich Wichern. Klinkhardt, Bad Heilbrunn 1998,
Martin, Hansjörg: Ein Menschenfischer. Johann Hinrich Wichern, sein Leben, Wirken und seine Zeit. Hamburg 1981 (Agentur des Rauhen Hauses - Tb. 53).
Frequency | Weekday | Time | Format / Place | Period |
---|
Module | Course | Requirements | |
---|---|---|---|
36-PM1 Christentum evangelischer Prägung | Seminar 1 | Student information | |
Seminar 2 | Student information |
The binding module descriptions contain further information, including specifications on the "types of assignments" students need to complete. In cases where a module description mentions more than one kind of assignment, the respective member of the teaching staff will decide which task(s) they assign the students.
Degree programme/academic programme | Validity | Variant | Subdivision | Status | Semester | LP | |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Evangelische Theologie / Bachelor | (Enrollment until SoSe 2011) | Kern- und Nebenfach | KG Ic; KG II/1a; KG II/1b; KG II/2a; KG II/2b | 3 | |||
Evangelische Theologie / Master of Education | (Enrollment until SoSe 2014) | KG Ic; KG II/2a; KG II/2b | 3 | ||||
Studieren ab 50 |
Allgemeines Hintergrundwissen der Geschichte des 19. Jahrhunderts, das gängigen Geschichtsdarstellungen entnommen werden kann, sollte in aktiver Mitarbeit eingebracht werden können. Regelmäßige Teilnahme ist selbstverständlich. Dazu gehört neben dem üblichen Lesepensum und schriftlichen Vorbereitungen die Bereitschaft zur Abfassung eines Protokolls, eines Referats oder einer Hausarbeit.