230362 Literarische Gäste: Texte zum Thema Gastlichkeit im 19. und 20. Jahrhundert (S) (SoSe 2006)

Das "zu Gast sein" und überhaupt die komplexe soziale Situation der Gastlichkeit bringt für alle daran Beteiligten immer wieder aufs neue Probleme mit sich, die bis hin zur Ermordung von Gast oder Gastgeber reichen können. Davon handeln zahlreiche literarische Texte im 19. und 20. Jahrhundert. Diesem trotz seiner breiten Verankerung in der Literatur bisher nur punktuell erforschten Gegenstand, soll im Seminar nachgegangen werden. Ausgehend von denjenigen Verwerfungen, denen traditionelle Gastlichkeitsmuster ab der Mitte des 19. Jahrhunderts verstärkt ausgesetzt sind, wird zunächst die realistische Erzählliteratur (Raabe, Keller, Storm, Fontane) im Mittelpunkt stehen. Für die Gründerzeit und die Jahrhundertwende kommt dann verstärkt die Frage nach dem Verhältnis von privater und kommerzieller Gastlichkeit hinzu. Flucht, Einwanderung und Asyl sind als "moderne" Facetten der Gastlichkeitsthematik nicht nur mit den beiden Weltkriegen literarische Themen geworden, sondern erneut auch durch die "Das Boot ist voll"-Debatten der 1980er- und 90er-Jahre (vgl. einen Roman wie Max von der Grüns Springflut von 1990).

Vor Semesterbeginn sollten die TeilnehmerInnen Wilhelm Raabes Unruhige Gäste: Ein Roman aus dem Säkulum (1885) gelesen haben.

Forschungsliteratur zur ersten Orientierung: Renate Bürner-Kotzam: Vertraute Gäste: Befremdende Begegnungen in Texten des bürgerlichen Realismus. Heidelberg 2001.