Das Seminar soll als Lektürekurs durchgeführt werden. Das heißt: wir lesen die ausgewählten Texte zusammen, Verständnisfragen werden unmittelbar in der Diskussion geklärt. Es geht nicht um Schnelligkeit des Vorankommens im bzw. mit dem Text; stattdessen darum, dass die Seminarteilnehmer/innen den Entwicklungsgang der Argumentation jederzeit nachvollziehen können.
Im Mittelpunkt des Seminars steht die Hegelsche Rechtsphilosophie. Natürlich werden wir in diesem Seminar diesen schwergewichtigen Text uns nicht erschöpfend aneignen können. Aber vielleicht ist das Seminar ja der Auftakt für die vertiefende Auseinandersetzung mit Hegel in weiteren Seminaren.
Die Idee zu diesem Seminar ist in meinem Seminarzyklus zum Marxschen "Kapital" (ongoing) entstanden. In seinem "Kapital" rückt Marx den Verkauf der Ware Arbeitskraft an den Kapitalisten in den Mittelpunkt. Der Arbeiter ist kein Arbeitssklave, sondern agiert als "freies Rechtssubjekt", er ist Vertragspartner des Kapitalisten, der darauf aus ist, die je auf Zeit gekaufte Arbeitskraft für seine Verwertungszwecke zu nutzen.
Marx legt großen Wert darauf, zu betonen, dass die Arbeiter im Verkauf ihrer Arbeitskraft als "freie Rechtssubjekte" bzw. als "Personen" agieren. In der bürgerlichen Gesellschaft wird kein Mensch zum Verkauf seiner Arbeitskraft und also entsprechend auch nicht zum Arbeiten gezwungen. Lassen wir Marx selbst zu Wort kommen: "Die Sphäre der Zirkulation oder des Warenaustausches, innerhalb deren Schranken Kauf und Verkauf der Arbeitskraft sich bewegt, war in der Tat ein wahres Eden der Menschenrechte. Was allein hier herrscht, ist Freiheit, Gleichheit, Eigentum und Bentham. Freiheit! Denn Käufer und Verkäufer einer Ware, z.B. der Arbeitskraft, sind nur durch ihren freien Willen bestimmt. Sie kontrahieren als freie, rechtlich ebenbürtige Personen. Der Kontrakt ist das Endresultat, worin sich ihre Willen einen gemeinsamen Rechtsausdruck geben. Gleichheit! Denn sie beziehen sich nur als Warenbesitzer aufeinander und tauschen Äquivalent für Äquivalent. Eigentum! Denn jeder verfügt nur über das Seine. Bentham! Denn jedem von den beiden ist es nur um sich zu tun. Die einzige Macht, die sie zusammen und in ein Verhältnis bringt, ist die ihres Eigennutzes, ihres Sondervorteils, ihrer Privatinteressen." (MEW 23, 190).
Ja natürlich: Freiheit! Aber dann finden sich bei Marx doch immer wieder gewichtige Einschränkungen. Beispielsweise in dem Zusammenhang, wo es um die "entscheidende Wichtigkeit der Verwandlung von Wert und Preis der Arbeitskraft in die Form des Arbeitslohns oder in Wert und Preis der Arbeit selbst" geht (ebd., 562). Hier ist von den "Freiheitsillusionen" der kapitalistischen Produktionswweise die Rede (ebd.). Illusionen?!
Ja was denn nun: Freiheit oder Illusion? Schauen wir uns an, was der Frankfurter Philosoph Christoph Menke in seiner "Theorie der Befreiung" (2022, 265) dazu zu sagen hat: "Das Problem der abhängigen Beschäftigung ... ist die Selbstunterwerfung, die eigentümliche Verbindung von Freiheit und Knechtschaft, die den Kapitalismus ausmacht: dass der abhängig Beschäftigte, trotz der Freiheit, mit der er den Vertrag über seine Abhängigkeit unterzeichnet hat, in Wahrheit nur ein Knecht ist." Oder wie Marx lange vor Menke erkannt hat: "Produktiver Arbeiter (des Kapitals) zu sein, ist daher kein Glück, sondern ein Pech" (MEW 23, 532). Autsch!
So - und nun zur Idee meines Seminars. Ich würde in dem Seminar gerne diese "bürgerliche Freiheit" in ihrer Widersprüchlichkeit ausloten. Und zwar mit Bezugnahme auf Hegel, den Philosophen der Freiheit - und der bürgerlichen Gesellschaft. Hegels Rechtsphilosophie nimmt vom "freien Willen" ihren Ausgang, sieht die Freiheit im Recht verwirklicht: in der vom bürgerlichen Staat gesetzten und garantierten Rechtsordnung! Vielleicht kommen wir ja im Bezug auf entsprechende Passagen in Hegels Rechtsphilosophie der Widersprüchlichkeit der Freiheit auf die Spur? Und lernen zugleich etwas mit Blick auf Hegels Konzept der "bürgerlichen Gesellschaft" - das bzw. die Hegel mit Blick auf klassischen Politökonomen Adam Smith und David Ricardo entwickelt - auf genau die Klassiker von denen aus auch die Marxsche Kritik der politischen Ökonomie ihren Ausgang nimmt!
Eine Begeisterung für die Lektüre nicht ganz einfacher philosophischer, politökonomischer und sozialwissenschaftlicher Texte ist Voraussetzung. Diese Begeisterung gegeben, sollten an dem Seminar auch Studenten und Studentinnen in den Anfangssemestern teilnehmen können.
Grundlagentext ist Hegels Rechtsphilosophie:
G.W.F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, Felix Meiner Verlag, Hamburg, 2017
Dazu der aktuelle Kommentar von Stekeler:
Pirmin Stekeler, Hegels Grundlinien der Philosophie des Rechts. Ein dialogischer Kommentar, Felix Meiner Verlag, Hamburg, 2021
Das o.g. Buch von Menke ist interessant Vor allem die (langen!) Passagen, in denen es um das Konzept der "ökonomischen Freiheit" geht. Auf über 100 (!) Seiten arbeitet sich Menke interpretatorisch an der Netflix Serie "Breaking Bad" ab. Wunderbar originelle Lektüre - und Stimulus dazu oder dafür, mal wieder "Breaking Bad" anzuschauen:
Christoph Menke, Theorie der Befreiung, Suhrkamp Verlag, Berlin, 2022
Rezensionen zu Stekeler und Menke, die in der FAZ erschienen sind, lade ich in den Lernraum hoch.
Weitere Literatur wird noch bekannt gegeben. Ich bin selbst erst bzw. noch beim Einlesen in das Thema und beim Sondieren der Literatur (Stand Mitte August).
Rhythmus | Tag | Uhrzeit | Format / Ort | Zeitraum | |
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wöchentlich | Do | 16-18 | 13.10.2025-06.02.2026 |
Modul | Veranstaltung | Leistungen | |
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30-M11 Vernetzung: Sozialwissenschaftliche Nachbardisziplinen | Seminar | Studienleistung
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Studieninformation |
- | benotete Prüfungsleistung | Studieninformation |
Die verbindlichen Modulbeschreibungen enthalten weitere Informationen, auch zu den "Leistungen" und ihren Anforderungen. Sind mehrere "Leistungsformen" möglich, entscheiden die jeweiligen Lehrenden darüber.
Studiengang/-angebot | Gültigkeit | Variante | Untergliederung | Status | Sem. | LP | |
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Studieren ab 50 |
Erworben kann werden:
- Studienleistung durch regelmäßige (!!!) aktive (!!!) Teilnahme, sprich: engagiertes Sich-Einbringen in die Diskussion, Vorstellung eines Diskussionsinputs im Seminar und/oder kritische Reflexion (ex post) zur Diskussion im Seminar
- Prüfungsleistung durch schriftliche Hausarbeit