230448 Kürzere Erzählprosa der Restaurationszeit (S) (WiSe 2005/2006)

F. SENGLE vermutet, dass die Epoche zwischen 1815 und 1848 eine größere Vielfalt literarischer Formen hervorbrachte als jede andere. Die Restaurationszeit läßt sich in politischer Hinsicht begrenzen durch die Wiederherstellung des deutschen Kleinstaatensystems nach 1815 und die Revolution von 1848; sie erscheint wirtschaftlich zweigeteilt durch einen rasanten Industrialisierungsschub seit Mitte der 1830er Jahre, sozial geprägt von der beginnenden Proletarisierung der Industriearbeiterschaft, der Verarmung der Landbevölkerung, einer mehrfachen Ausdifferenzierung des Bürgertums, der Verstädterung und der Entstehung neuer Berufsfelder (z.B. Journalismus). Eine ihrer literaturgeschichtlichen Innovationen ist die Etablierung der Erzählprosa als Kunstform, woran besonders Novellistik bzw. kürzere Erzählprosa großen Anteil haben. Im Seminar sollen einige Charakteristika dieses Texttyps bestimmt und auf den skizzierten Kontext bezogen werden. Ausgehend von erzählsystematischen Analysen werden wir gattungstheoretische und -historische Aspekte ebenso berücksichtigen wie sozialgeschichtliche und politische Hintergründe. Folgende Erzählungen sollen gelesen werden:

Georg BÜCHNER..................... Lenz (Reclam Studienausgabe)
Joseph von EICHENDORFF ... Aus dem Leben eines Taugenichts (Reclam)
Franz GRILLPARZER.............. Der arme Spielmann (Reclam)
Eduard MÖRIKE...................... Mozart auf der Reise nach Prag (Reclam)
Leopold SCHEFER................. Der Waldbrand

Ich bitte darum, daß sich die TeilnehmerInnen die ersten vier Erzählungen als Reclam-Taschenbücher anschaffen. Schefers Waldbrand sowie einige einführende Texte werde ich als Fotokopien zur Verfügung stellen.