220111 Die „süditalienische Frage“ als koloniale Frage von der Einheit Italiens bis zur Nachkriegszeit (K) (WiSe 2023/2024)

Mit dem Ausdruck „questione meridionale“ (wörtlich die „Südfrage“) bezeichnet die Geschichtsschreibung die Diskussion über die sozioökomische Divergenz zwischen Nord- und Süditalien. Diese Diskussion entstand wenige Jahre nach der Gründung des italienischen Nationalstaates (1861) und problematisierte den Rückstand der südlichen im Vergleich zu den nördlichen Regionen des Landes und zwar unter dem Gesichtspunkt der industriellen und kapitalistischen Entwicklung. Eine der folgenreichsten Analyse dieser Divergenz bot Antonio Gramsci an, der dabei die süditalienische Lage in Beziehung zu der globalen Geschichte des Kapitalismus und dem (italienischen) Kolonialismus setzte. Mit seiner Analyse des süditalienischen Bauernstandes anhand der Kategorien „Subalternität“ und „Hegemonie“ stellte er ein mächtiges heuristisches und theoretisches Instrumentarium zur Verfügung, auf das der spätere postkoloniale Diskurs zurückgriff und immer noch zurückgreift.

Die Lehrveranstaltung setzt sich aus zwei Seminaren zusammen (Masterseminar und Historische Kontextualisierung), die aufeinander gebaut sind.

In der Historischen Kontextualisierung (220111), jeweils am Donnerstag von 14:00 bis 16:00 Uhr, werden anhand einschlägiger Primär- und Sekundärliteratur die „subalternen“ und provinzialen (süditalienischen) Ursprünge dieser Konzepte und Theorien beleuchtet.

Im Masterseminar (220112), jeweils am Donnerstag von 16:00 bis 18:00 Uhr, wird anhand einschlägiger Primär- und Sekundärliteratur die Verpflanzung – und Umwandlung – der Subalternitäts- und Hegemonietheorie in andere (südliche) Weltregionen herausgearbeitet.