230089 Schrift, Tod und Teufel: Die Literalität der Letzten Dinge (V) (WiSe 2005/2006)

Von den Formen und Funktionen eschatologischer Schriftlichkeit ('Buch des Lebens', 'Buch des Schicksals', 'Buch der Werke' etc.) wird in dieser Vorlesung speziell das Sündenregister behandelt, das nach alter Auffassung der Teufel schreibt, um im Jenseitsgericht oder in der Sterbestunde die Sünden des Menschen visuell vorweisen ('vorhalten') zu können. Dieser Themenkomplex findet sich vornehmlich in Visionen und Heiligenviten, in Texten und Bildern der spätmittelalterlichen Sterbekunst ('Ars moriendi'), in den 'Jedermann'-Spielen sowie weiteren Dramen der Frühen Neuzeit.

Im Zentrum der Vorlesung stehen neben Fragen der Mentalitäts- und Sterbeforschung, der Intertextualität, der Onomasiologie und der Idiomatik (z.B. Das geht auf keine Kuhhaut) vor allem Probleme der neueren Schriftlichkeitsdiskussion: der Medienwechsel von der Oralität zur Literalität, die Visualisierung des Wortes und die Darstellungsmöglichkeit der (göttlichen, teuflischen und menschlichen) Memoria in Schrift, Bild und Szene.

Einführende Literatur:

Leo Koep, Das himmlische Buch in Antike und Christentum. Bonn 1952.

Hans Blumenberg, Die Lesbarkeit der Welt. Frankfurt a.M. 1981, bes. S. 22-35 ("Der Himmel als Buch, das Buch im Himmel")

Meinolf Schumacher, "Ein Kranz für den Tanz und ein Strich durch die Rechnung. Zu Oswald von Wolkenstein 'Ich spür ain tier' (Kl 6)". In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 123 (2001), S. 253-273.