Mit der Bildungsexpansion nahm die Zahl der Studierenden sowohl in Deutschland als auch in Südasien zu und die Studierenden zeichnen sich heute durch verschiedene Heterogenitätsmerkmale – v.a. Ethnizität, Race, Kaste, Religion, Schichtzugehörigkeit und Geschlecht - aus. Diese Lehrforschung nimmt zur Ausgangslage den Umstand, dass an deutschen Universitäten immer mehr Menschen mit Migrationshintergrund studieren und dass in den südasiatischen Ländern immer mehr sogenannte ‚nicht-traditionelle‘ Studierende eingeschrieben sind, die u.a. marginalisierten ethnischen Gruppen oder ‚tiefrangigen‘ Hindu-Kasten zugerechnet werden. Ferner wurde verschiedentlich festgestellt, dass Studierende die genannten Heterogenitäten und die damit verbunden soziale (ethnisierende) Grenzziehungen wahrnehmen und höchst individuell verarbeiten.
Im Zentrum des Interesses stehen die Fragen, (erstens) wie diese Grenzziehungen wahrgenommen werden, (zweitens) wie die Studierenden mit diesen Grenzziehungen umgehen, sowie (drittens) welche Effekte diese Grenzziehungen haben können: Wirken die ethnisierenden Grenzziehungen als ‚Enabling‘? (in Bezug auf Rollenmodelle, Solidaritätsmuster) oder aber als ‚Constraining‘? (beispielsweise betreffend der eingeschränkten Handlungsoptionen und Teilhabechancen). Wirkt das Heterogenitätsmerkmal ‚Ethnizität’ an der Universität als Ungleichheit generierend? Und wenn ‚ja’: Durch welche Mechanismen?
Die Universität wird sowohl als Organisation als auch als sozialer Gestaltungsraum gefasst, in dem die Fakultäten und deren Fachkulturen unterschiedliche Rahmenbedingungen bieten. Die Lehrforschung fokussiert auf den Studienverlauf als Weg zum Beruf. Zugleich handelt es sich um eine lebensgeschichtliche Periode, in der verschiedenartige persönliche Dispositionen herausgebildet werden. Diese Wege können höchst unterschiedliche Ausprägung erfahren. Das hängt nicht nur mit der Studienwahl und mit den Betreuungsverhältnissen zusammen, sondern ebenso mit den Formen studentischer Vergemeinschaftung, der Netzwerkbildung, dem sozialen Wissen sowie Praxen, die das Studium begleiten: beim Wohnen, in der Freizeitgestaltung und in der das Studium begleitenden ehrenamtlichen Engagements und Praktika.
Im Rahmen der Lehrforschung soll das Wechselspiel zwischen den organisatorischen Bedingungen der Universität zusammen mit den persönlichen Wahrnehmungen, Beziehungen und Handlungsoptionen betrachtet werden. Gegenstand der Analyse sind insbesondere die Netzwerkbildung, welche die Studierenden praktizieren, Prozesse der Vergemeinschaftung sowie die Zugehörigkeitskonstellationen unter den Peers.
Um diese Fragen umfassend behandeln zu können, bieten sich drei Herangehensweisen an:
a) Rezeption und Diskussion rezenter theoretischen Ansätze in den relevanten Forschungsfeldern ‚Bildung’, ‚Migration’, ‚Interkulturalität’. Dazu gehören „Diskurse der Interkulturalität“, „Umgang mit Differenz“ (z. B. Gleichheitsdiskurs, Universalitätsdiskurs, Essentialisierungsdiskurs /Kulturrelativismus), „Ethnic boundary-making“, „Belonging“ und Themenfelder wie „Diskurse der interkulturellen Bildung“, „Kompetenzen interkultureller Bildung“, „Ungleichheit durch Bildungsinstitutionen“;
b) Empirische Datenerhebung an einer Universität, die der Netzwerkbildung, welche die Studierenden praktizieren, den Prozessen der Vergemeinschaftung sowie den Zugehörigkeitskonstellationen unter den Peers nachgeht.
c) Auswertung des empirischen Datenmaterials mit Hilfe der in Bezug auf a) bezogenen Theorien und Konzepte.
Ausgewählte Literatur:
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Pott, Andreas (Hg.) (2002): Ethnizität und Raum im Aufstiegsprozeß. Eine Untersuchung zum Bildungsaufstieg in der zweiten türkischen Migrantengeneration. Univ., Diss.--Osnabrück, 2001. Opladen: Leske + Budrich.
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Terkessidis, M. (2010): Interkultur. Berlin: Suhrkamp.
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Winker, G. / Degele, N. (2009): Intersektionalität. Zur Analyse sozialer Ungleichheiten. Bielefeld: transcript. Einleitung. S. 9-24
Richtet sich an Studierende im MA Soziologie, Sozialwissenschaften
Studierende, die an dieser Lehrforschung teilnehmen, müssen mit verschiedenen Verfahren der qualitativen Sozialforschung vertraut sein. Bereitschaft zur Lektüre englischsprachiger Texte wird vorausgesetzt ebenso wie regelmäßige Teilnahme an den Sitzungen, individuelle Beiträge sowie Austausch in der Phase der empirischen Datenerhebung und ihrer Nachbereitung.
Rhythmus | Tag | Uhrzeit | Format / Ort | Zeitraum | |
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wöchentlich | Di | 16-18 | U4-120 | 15.04.-13.05.2014 | |
einmalig | Di | 16-18 | X-C-3-107 | 27.05.2014 | |
wöchentlich | Di | 16-18 | X-D-2-236 | 03.06.-15.07.2014 | |
einmalig | Mo | 16-18 | X-E0-211 | 23.06.2014 |
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Modul | Veranstaltung | Leistungen | |
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30-M-Soz-M8_LF1 Lehrforschung in Soziologie der globalen Welt | Seminar 1 | Studienleistung
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Studieninformation |
Die verbindlichen Modulbeschreibungen enthalten weitere Informationen, auch zu den "Leistungen" und ihren Anforderungen. Sind mehrere "Leistungsformen" möglich, entscheiden die jeweiligen Lehrenden darüber.
Studiengang/-angebot | Gültigkeit | Variante | Untergliederung | Status | Sem. | LP | |
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Soziologie / Master | (Einschreibung bis SoSe 2012) | Modul 7.1 | Wahl | 5 | (bei Einzelleistung 4 LP zusätzlich) |
Anforderungen für die Erbringung der Studienleistung: Regelmäßige Teilnahme, vorbereitende Lektüre von ausgewählten Texten für jede Sitzung, Durchführung empirischer Datenerhebung an einer ausgewählten Universität in Deutschland oder in Südasien. Verfassen eines Lehrforschungsberichtes.