220041 Rückwärtsgewandte Prophet*innen bei der Arbeit? Was die moderne Public History leisten kann (ÜG) (SoSe 2020)

Inhalt, Kommentar

„Der Historiker ist ein rückwärtsgewandter Prophet.“ Dieses Fragment Friedrich Schlegels bekamen nicht selten jene zu hören, die den berühmten Bielefelder Historiker Hans-Ulrich Wehler fragten, was die Geschichtswissenschaft und ihre Protagonist*innen „grosso modo“ eigentlich leisten könnten. Die so Beschiedenen runzelten nicht selten die Stirn, da es bis auf den heutigen Tag im Grunde nicht so recht klar ist, was der Philosoph Schlegel mit diesem Diktum eigentlich ausdrücken wollte. Vielleicht dieses: Historiker*innen sollen die Vergangenheit im Lichte der Zukunft betrachten! „Die Vergangenheit liegt hinter uns – sie liegt uns aber auch voraus. Uns zurückwendend erinnern wir uns der Vorfahren – vorausblickend denken wir an die Nachkommen“, so drückte es der Philosoph Gunter Scholtz in seiner Bochumer Antrittsvorlesung am 19. Dezember 1979 aus.

Wer sonst, als die moderne Public History, die sich selbst die größten Freiheiten gestattet, hat ihre Hand am Puls all dieser Zeiten und sollte deshalb berufen sein, in diesem Sinne zu schreiben, Filme zu drehen, Events zu gestalten und das Internet mit Nachschub zu versorgen? Zugegeben, – sie gibt sich auch redliche Mühe. Aber ihre Protagonist*innen dürfen das pekuniäre Element nicht vernachlässigen, da sie mit ihrer speziellen Art der Geschichtsschreibung nicht selten ihren Lebensunterhalt verdienen. Und das bedeutet, dem Grundsatz zu folgen: Unterhaltung bieten, keine Langeweile verbreiten! Auch wenn dabei dieses oder jenes Detail als „nicht so wichtig“ unter den Tisch fällt. Zahlreiche Museen müssen dieses Spiel mitmachen, da sie ihren Geldgebern, ob privat oder öffentlich-rechtlich, beweisen müssen, dass sie zurecht von diesen finanzielle und sonstige Unterstützungen bekommen.

So wird die Historie in einigen Bereichen geradewegs „ausgeschlachtet“, ohne neue Erkenntnisse zuzulassen, die möglicherweise das existierende Bild über eine Epoche stören oder relativieren könnten. Die zahllosen historischen Romane, mittlerweile ergänzt durch eine wachsende Anzahl historischer Krimis, sind aktuell zumeist im Mittelalter, der Frühen Neuzeit, aber auch in der jüngsten Vergangenheit angesiedelt. Da werden die verschiedensten Epochen von den Autor*innen munter hin und her und ineinander verschoben, geradewegs im besten Sinne einer rückwärtsgewandten Prophetie. Diese oft recht mäßig verfassten Texte vermitteln dennoch nach wie vor ein Standardbild etwa vom „dunklen Mittelalter“, das mittlerweile, unendlich oft wiederholt, nachgerade ermüdend wirkt. Irgendwann wird dann auch diese Epoche für die Medienlandschaft uninteressant werden.

Sehr gelassen reagieren die Adressat*innen solcher Kritiken. Sie haben Einschaltquoten und Verkaufszahlen im Auge. Das zählt für sie.

Das Seminar wird sich mit guten, mittelmäßigen und auch schlechten Hervorbringungen der aktuellen populären Geschichtskultur befassen, sie analysieren und versuchen, sowohl ihren Tauglichkeitsgrad als Vermittler von Wissen als auch ihre unterhaltenden Elemente möglichst vorurteilslos einzustufen und zu bewerten. Und vielleicht lässt sich bei und nach der Rezeption erahnen, was gute rückwärtsgewandte Prophet*innen auszeichnet.

Literaturangaben

Barricelli, Michele/Hornig, Julia (Hrsg.): Aufklärung, Bildung, „Histotainment“? Zeitgeschichte in Unterricht und Gesellschaft heute, Frankfurt am Main 2008.

Bösch, Frank/Goschler, Constantin (Hrsg.): Public History. Öffentliche Darstellungen des Nationalsozialismus jenseits der Geschichtswissenschaft, Frankfurt am Main 2009.

Gehrke, Hans-Joachim/Sénéchau, Miriam (Hrsg.): Geschichte, Archäologie, Öffentlichkeit. Für einen neuen Dialog zwischen Wissenschaft und Medien. Standpunkte aus Forschung und Praxis, Bielefeld 2010.

Hochbruck, Wolfgang/u. a. (Hrsg.): Staging the Past: Themed Environments in Transcultural Perspectives, Bielefeld 2010.

Horn, Sabine/Sauer, Michael (Hrsg.): Geschichte und Öffentlichkeit. Orte – Medien – Institutionen, Göttingen 2009.

Rüdiger, Mark/u. a. (Hrsg.): Echte Geschichte: Authentizitätsfiktionen in populären Geschichtskulturen, Bielefeld 2010.

Scholtz, Gunter: Der rückwärtsgewandte Prophet und der vorwärtsgewandte Poet. Öffentliche Antrittsvorlesung an der Ruhr-Universität Bochum vom 19. Dezember 1979.
http://philosophisches-jahrbuch.de/wp-content/uploads/2019/03/PJ89_S309-324_Scholtz_Der-r%C3%BCckw%C3%A4rtsgewandte-Prophet-und-der-vorw%C3%A4rtsgewandte-Poet.pdf

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Übung Geschichtsvermittlung (ÜG) / 2
Einrichtung
Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie / Abteilung Geschichtswissenschaft
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