360045 Das Heil der Welt und die Kirche - Säkularisierter Erlösungsglaube im 19. Jahrhundert und im Nationalsozialismus (S) (WiSe 2010/2011)

1. In diesem Seminar soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit in Deutschland im 19. Jahrhundert und im deutschen Kaiserreich 1871-1918 der Gedanke an die besondere Rolle des deutschen Volkes in der europäischen Völkergemeinschaft mit religiösen Zügen versehen war. Um die Frage zuzuspitzen: Sah sich das deutsche Volk in seiner nationalen Ideologie wie einst das Volk Israel als auserwähltes Volk? Wurde das Deutsche Reich bis 1918 nicht in allzu großer Nähe mit dem „Bau des Reiches Gottes“, wie ihn die christliche Kirche propagierte, gesehen?
2. Es soll bedacht werden, ob und wie die Zeit der Weimarer Republik die Entwicklung dieser Ideen und damit im gewissen Sinne auch den Primat des christlichen Denkens protestantischer Prägung etwa in Preußen unterbrach oder gar beendete.
3. Der Nationalsozialismus bekommt im so genannten „Dritten Reich“ 1933-1945 die Züge einer säkularen Erlösungsreligion. Nicht zuletzt liefern die Deutschen Christen die metaphysische Unterfütterung der nationalsozialistischen Ideologie: Sie wurde zum säkularisierten Heilsglauben mit einem messianischen „Führer“ an der Spitze. Entsprechende Texte werden behandelt.
4. In diesem Kontext sollen schließlich die „Theologischen Erklärung von Barmen“ 1934 in ihrer Bedeutung als genuin christliches Gegenbekenntnis sowie andere Texte der Bekennenden Kirche behandelt werden.
Im Laufe des Seminars werden entsprechende Texte ausgegeben und interpretiert. Allgemeines Hintergrundwissen der Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts bis 1945, das gängigen Geschichtsdarstellungen entnommen werden kann, sollte in aktiver Mitarbeit eingebracht werden können.

Literaturangaben

Einführende Literatur:
Besier, Gerhard: Kirche, Politik und Gesellschaft im 19. Jahrhundert (Enzyklopädie deutscher Geschichte, Bd. 48), München 1998.
Brakelmann Günter: Der deutsche Protestantismus im Epochenjahr 1917, Witten 1974 (Politik und Kirche. Studienbücher zur kirchlichen Zeitgeschichte, hg. v. Günter Brakelmann und Martin Greschat, Bd. 1).
Brakelmann Günter: Die soziale Frage des 19. Jahrhunderts, Bielefeld (1962 ) 51975.
Friedrich, Martin: Kirche im Gesellschaftlichen Umbruch. Das 19. Jahrhundert, Göttingen 2006 (UTB 2789).
Fragen an die deutsche Geschichte. Ideen, Kräfte, Entscheidungen von 1800 bis zur Gegenwart. Historische Ausstellung im Reichstagsgebäude in Berlin, Katalog, 6. Auflage, hg. v. Deutschen Bundestag, Verwaltung Presse- und Informationszentrum Referat Öffentlichkeitsarbeit, Bonn 1881 [gute einführende Texte und Bildmaterialien!].
Grane, Leif: Die Kirche im 19 Jahrhundert, Göttingen 1987 (UTB 1425).
Herbert, Karl: Der Kirchenkampf. Historie oder Erbe, Frankfurt a. M. 1885.
Mosse, George L.: Der nationalsozialistische Alltag. So lebte man unter Hitler, Königsstein/Ts. ²1978
Nipperdey, Thomas: Religion im Umbruch. Deutschland 1870-1918, München 1988 (Beck’sche Reihe 363).
Schieder, Wolfgang (Hg.): Religion und Gesellschaft im 19. Jahrhundert, Stuttgart 1993 (Industrielle Welt, Bd. 54).
Schmädeke, Jürgen u. Steinbach, Peter (Hg.): Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Die deutsche Gesellschaft und der Widerstand gegen Hitler, München, Zürich (1985), Neuausgabe 31994.
Scholder, Klaus: Die Kirchen und das Dritte Reich. Bd. 1: Vorgeschichte und Zeit der Illusionen 1918-1934, Berlin 1977
Scholder; Klaus: Die Kirchen und das Dritte Reich. Bd. 2: Das Jahr der Ernüchterung 1934. Barmen und Rom, Berlin 1985.