Johan Huizingas in „Homo Ludens“ entfaltete Theorie des Spiels „weist zwei kühne und paradoxe
Thesen auf“ (Pfaller 2012, S.220): Erstens könne nur das Spiel einen exzessiven „heiligen Ernst“
(Huizinga) hervorrufen, daher liege der Ursprung der Kultur im Spiel. Zweitens gehe das
spielerische Element des „als ob“ in der Kultur zunehmend verloren. Dieser Widersprüchlichkeit
geht der Philosoph und Kulturwissenschaftler Robert Pfaller nach und versucht zu begründen,
warum dies so sein könnte – im Widerspruch zu Ansätzen, die eher von einer Ausbreitung des
Spieles ausgehen oder ihre ungebrochene subversive Kraft betonen wie etwa Bezugnahmen auf
Michel de Certeau. Im Anschluss an die psychoanalytischen Theorien des Ethnologen Octave
Mannoni diskutiert Pfaller, welche Folgen eine solche Entwicklung zeitigt, wenn die Menschen
immer weniger in der Lage sind, spielerische Illusionen zu genießen. Der Verlust spielerischer
Elemente in der Kultur im „Neoliberalismus“ führen Pfaller zufolge nicht zu einer besonders
reifen Kultur, sondern – im Gegenteil – zu einer Infantilisierung von Erwachsenen, zu einer
asketischen Selbstbezogenheit, die Glück verunmögliche, zu einer paranoischen Subjektstruktur
und zur erhöhten Bereitschaft der Individuen, politische Verschlechterungen hinzunehmen. Die
Kulturwissenschaftlerin Sonja Witte hingegen eröffnet in ihrer Untersuchung des Verhältnisses
von spielerischen und nicht-spielerischen Momenten der Kulturindustrie„eine andere Perspektive
auf die gesellschaftliche Bedeutung des spielerischen Moments als kulturtheoretische Ansätze, die
von einem gegenwärtigen Niedergang des Spiels ausgehen oder solche Positionen, die in einer
zunehmenden Verallgemeinerung des Spiels eine Vergrößerung des politischen
Handlungsspektrums sehen“ (Witte 2018, S.191): Sie versteht die Dialektik von Spielfeindlichkeit
und Spiel als Ausdruck von Ambivalenzen und Widersprüchen des Verhältnisses von Freizeit und
Arbeit.Mit diesen Diskussionen werden wir uns im Seminar anhand zentraler Texte auseinandersetzen.
Master of Arts: Voraussetzung ist die Einschreibung im Master of Arts Erziehungswissenschaft im WiSe 2019/20
Bereitschaft auch umfangreiche, komplexe theoretische Texte zu lesen.
Adorno, Theodor W.: Kaufmannsladen. In: Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben. Frankfurt am Main 2003 (Originalausgabe: 1951).
Benjamin, Walter: Denkbilder. In: Ders.: Illuminationen. Ausgewählte Schriften I. Frankfurt am Main 1977.
Benjamin, Walter: Über das mimetische Vermögen. In GS II. (Original 1933).
Freud, Sigmund: Jenseits des Lustprinzips. In: Studienausgabe Band III. Frankfurt am Main 2000 (Original: 1920).
Huizinga, Johan: Homo Ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel. Reinbek bei Hamburg 2011 (Originalausgabe: 1938).
Pfaller, Robert: Die Illusionen der anderen. Über das Lustprinzip in der Kultur. Frankfurt am Main 2002.
Pfaller, Robert: Wofür es sich zu leben lohnt. Elemente materialistischer Philosophie. Frankfurt am Main 2012.
Pfaller, Robert: Sex ohne City. Zur Infantilisierung erwachsener Sexualität in der Postmoderne. In: Härtel, Insa (Hg.): Erogene Gefahrenzonen. Aktuelle Produktionen des (infantilen) Sexuellen. Berlin 2013.
Witte, Sonja: Symptome der Kulturindustrie. Dynamiken des Spiels und des Unheimlichen in Filmtheorien und ästhetischem Material. Bielefeld 2018.
Frequency | Weekday | Time | Format / Place | Period | |
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every two weeks | Di | 16-20 | C0-281 | 08.10.2019-28.01.2020
not on: 12/31/19 |
Module | Course | Requirements | |
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25-ME1 Allgemeine Grundlagen | E1: (Wissenschafts)theoretische und historische Grundlagen der Erziehungswissenschaft | Study requirement
Ungraded examination Graded examination |
Student information |
The binding module descriptions contain further information, including specifications on the "types of assignments" students need to complete. In cases where a module description mentions more than one kind of assignment, the respective member of the teaching staff will decide which task(s) they assign the students.