230323 Der Künstler als Krieger? Imaginationsformen des Offiziers in der europäischen Kultur und Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts (S) (WiSe 2004/2005)

Kurzkommentar

Inhalt, Kommentar

Dem 19. Jahrhundert gelang nur eine ethische Konstruktion großen Stils: das preußische Offizierskorps. (Nicolás Gómez Dávila)

Dieser Aphorismus des als Reaktionär verschrieenen kolumbianischen Philosophen benennt eine Imagination. Der Offizier erscheint hier als Angehöriger einer Art Orden und ist aufgrund dieser institutionalisierten Herausgehobenheit Repräsentant einer eigenen Ethik und eines besonderen Stils. In der Tat sind im 19. Jahrhundert, nicht nur mit dem preußischen, Offizierskorps bestimmte Assoziationen verbunden. Es steht für ?Männlichkeit?, ?Ehrbarkeit?, ?Aristokratie?, aber auch für eine aus dem allgemeinen Bürgertum sich ausscherende Gruppierung ein. An dieser Stelle wird das Interesse zahlreicher Künstler und Schriftsteller aus dem 19./20. Jahrhundert berührt. Nicht nur patriotisch oder chauvinistisch denkende Autoren, sondern auch ein Großteil der Vertreter einer ästhetisch avancierten Literatur leisten zu den Imaginationsformen des Offiziers, zu dieser speziellen Männerphantasie (Klaus Theweleit) einen signifikanten Beitrag. Das rührt vor allem daher, daß die Fokussierung einer sich als autonom verstehenden Ästhetik sich synchron mit dem Anwachsen von Individualitätskonzepten generiert. So findet im 19. Jahrhundert eine Abgrenzung bestimmter Kulturfiguren und Sozialcharaktere (Gerd Stein) vom Bürgertum statt. Diese Gestalten, es sind unter anderem der Dandy, der Intellektuelle und der Offizier, entstammen zwar mitunter dieser Schicht, verhalten sich jedoch nicht konform zu ihr. Statt dessen übernehmen sie Verhaltensweisen der machtlos gewordenen Aristokratie, um auf diese Weise ihre Autonomie zu garantieren. Sie erfassen die Bourgeoisie mit einem kalten und nüchternen Blick und verwerfen ihr Moralverständnis und den Anspruch auf soziale Entdifferenzierung durch die Konstituierung eines Kastenwesens, wie es ja gerade für die Offizierskorps in ganz Europa bezeichnend war. Das führte dazu, daß diese Figuren immer wieder in den Mittelpunkt der erzählenden und essayistischen Literatur ihrer Zeit rückten und zum Teil sogar als Allegorien auf den elitären Künstler betrachtet wurden. Das Seminar wird verschiedene literarische, pikturale und filmische Inszenierungsvarianten des Offiziers als ein Beispiel von ästhetisch konstruierter Männlichkeit unter die Lupe nehmen und dabei der Frage nachgehen, inwieweit die Künste auch das Offiziers- und Männerbild ihrer jeweiligen historischen Epochen (Kaiserreich, Weimarer Republik, Nationalsozialismus, Nachkriegszeit) mitgeprägt haben.
Zur Diskussion stehen Texte von Balzac, Baudelaire, R. Borchardt, Fontane, R. Hagelstange, E. Jünger, H.H. Kirst, Kleist, D.H.Lawrence, Lernet-Holenia, H. Mann, Maupassant, Musil, Rilke, J. Roth, Sacher-Masoch, E. von Salomon, Schnitzler, Tolstoi, Valle-Inclan u.a. (Ein Reader wird rechtzeitig erstellt!)

Literaturhinweise
? Hans Richard Brittnacher: ?Priester und Paria. Der Offizier in der Literatur des Fin de siècle?, in: Ursula Breymayer/Bernd Ulrich/Karin Wieland (Hgg.): Willensmenschen. Über deutsche Offiziere, Frankfurt am Main 1999, S. 189-207. (bitte vor Semesterbeginn unbedingt lesen!!!!)
? Arnold Bröckling: Disziplin. Soziologie und Geschichte militärischer Gehorsamsproduktion, München 1997.
? Walter Erhart: ?Laufbahnen. Die Fiktionen des Offiziers?, in: Ursula Breymayer/Bernd Ulrich/Karin Wieland (Hgg.): Willensmenschen. Über deutsche Offiziere, Frankfurt am Main 1999, S. 155-172.
? Klaus Theweleit: Männerphantasien 2. Männerkörper ? zur Psychoanalyse des weißen Terrors, Reinbek bei Hamburg 1980, bes. S. 64-74, S. 144-154, S. 174-175, S. 189-247.
? Jakob Vogel: ?Stramme Gardisten, temperamentvolle Tirailleurs und anmutige Damen. Geschlechterbilder im deutschen und französischen Kult der ?Nation in Waffen??, in: Ute Frevert (Hg.): Militär und Gesellschaft im 19. und 20. Jahrhundert, Konstanz 1996, S. 245-262.

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Literaturwissenschaft / Magister Haupt- und Nebenfach AVL   GS und HS

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