230312 Verschlafene Helden - wache Träumer: Schlaf und Traum in der vormodernen Literatur (S) (WiSe 2004/2005)

Träume in der Dichtung waren stets ein beliebter Gegenstand der Literaturwissenschaft. Gerade die Mediävistik kann mit Kriemhilts Falkentraum aus dem Nibelungenlied oder mit Walthers "Lied von der Traumliebe" ganz besonders schöne Beispiele literarischer Gestaltung von Träumen aufweisen. Kaum im Interesse der Forschung stand dagegen bisher der biologische Rahmen des Traums: der Schlaf. Ist der Schlaf an sich kein literarisches Thema in der Vormoderne? Zumindest die vielen Motive des Ver-Schlafens (nur bei Männern?) lassen das Gegenteil vermuten: Moriz von Craûn etwa verschläft sein lang ersehntes Stelldichein, Peter von Provence (in der 'Schönen Magelone') verschläft auf einer schönen Insel sein abfahrendes Schiff, und Gregorius hätte beinahe den Beginn seiner harten Buße auf dem Felsen verschlafen, wenn ihn die Fischersfrau nicht noch gerade rechtzeitig geweckt hätte?

Das Seminar will an ausgewählten Beispielen die narrative Funktion der Träume und des Schafes behandeln. Es beschäftigt sich zudem mit dem Verhältnis von Traum und Vision, Traumdeutung und Allegorese, mit den metaphorischen Verwendungen von Schlafen und Wachen, sowie mit theoretischen Texten zum Thema. Mit einzelnen Fallstudien will das Seminar schließlich einen Beitrag leisten zur Kulturgeschichte eines menschlichen Grundbedürfnisses.