'Kulturwissenschaft' (im Singular wie im Plural) ist ein gängiges Schlagwort der gegenwärtigen Forschungsdiskussion. Viele der alten Geisteswissenschaften erhoffen sich davon eine Modernisierung ihrer Fächer. Mediävisten verweisen hingegen gern darauf, die Erforschung von Literatur und Sprache des Mittelalters habe von Anfang an kulturwissenschaftlichen Charakter gehabt, schon weil zu den ältesten Quellen der Volkssprachen Textsorten wie Rezepte, Zaubersprüche, Glaubensbekenntnisse oder Rechtsformeln gehören, die sich einem rein philologischen Zugriff entziehen. Zudem ist es in der Mediävistischen Bedeutungsforschung (F. Ohly) seit langem akzeptiert, nach der Signifikanz von 'Dingen' (res) wie Gebärden, Räume, Kleider, Wappen, Düfte, Pflanzen, Tiere, Farben oder Klänge und ihrer Eigenschaften (proprietates) in Schrift und Welt zu fragen. Die Mediävistik weiß sich damit gut gerüstet für einen eigenständigen Beitrag zur kulturwissenschaftlichen Diskussion zwischen den Fächern, sieht sich jedoch auch der Gefahr ausgesetzt, dass fachspezifische Fragen wie die nach literarischen Formen und Gattungen oder nach sprachhistorischen Entwicklungen in den Hintergrund geraten, wenn sie in keinen aktuellen Diskursrahmen passen. Die Vorlesung, die sich an Studierende aller Fächer und Semester wendet, geht deshalb nicht von textfernen Theoriekonzepten aus, um sie nachträglich auf die ältere Literatur zu übertragen, sondern sie untersucht in genauer Textanalyse Entwürfe des Menschseins und der menschlichen Lebenswelt im Mittelalter, wobei Erkenntnisse aus Medizin, Natur- und Sozialwissenschaften erklärend herangezogen werden. Eine solche literarische Anthropologie ist an sich schon ein legitimer Gegenstand von Mediävistik, sie soll aber auch dazu beitragen, den Horizont der meist auf die Neuzeit konzentrierten Kulturwissenschaften um die vormodernde Perspektive zu erweitern.
Zur Einführung wird empfohlen:
Christian Kiening, Anthropologische Zugänge zur mittelalterlichen Literatur: Konzepte, Ansätze, Perspektiven, in: Forschungsberichte zur Germanistischen Mediävistik, hrsg. von Hans-Jochen Schiewer (Jahrbuch für Intern. Germanistik C 5/1), Bern u.a. 1997, S. 11-129.
Horst Wenzel, Hören und Sehen, Schrift und Bild. Kultur und Gedächtnis im Mittelalter, München 1995.
Rhythmus | Tag | Uhrzeit | Format / Ort | Zeitraum | |
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wöchentlich | Do | 16-18 | unveröffentlicht | 19.04.-30.07.2004 |
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Studiengang/-angebot | Gültigkeit | Variante | Untergliederung | Status | Sem. | LP | |
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Germanistik / Bachelor | (Einschreibung bis SoSe 2011) | Kern- und Nebenfach | BaGerPoB2; BaGerP2S | 3/4 | |||
Germanistik/Deutsch | MA/SI/SII; AED; A.4; B.3 | Teilleistung der Zwischenprüfung/Abschlussprüfung möglich GS und HS | |||||
Literaturwissenschaft / Bachelor | (Einschreibung bis WiSe 05/06) | Kern- und Nebenfach | BaLitB1 | 2/4 | |||
Literaturwissenschaft / Magister | Haupt- und Nebenfach | LAK | Teilleistung der Zwischenprüfung/Abschlussprüfung möglich GS und HS | ||||
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