Im ‚Mitteilungsblatt‘ des Bochumer Instituts für soziale Bewegungen bemerkte der deutsche Historiker Manfred Gailus (*1949) vor einigen Jahren salopp: „Alle Welt protestiert oder wird demnächst protestieren. Die historische Protestforschung indessen scheint im Tiefschlaf zu liegen […].“ War diese Bemerkung, wie Gailus selber zugab, etwas überspitzt formuliert, gilt dennoch, dass die Protestforschung von Historikern bis heute nicht wirklich wachgerüttelt wurde. Trotz Arabischem Frühling, Occupy-Bewegung und ‚March for Science‘, um nur einige der öffentlichkeitswirksamsten Protestbewegungen der letzten Zeit zu nennen, scheint Straßenpolitik weiterhin ein Randthema der Geschichtswissenschaft zu sein. Ganz anders war das in den 1960er Jahren, als Forderungen nach politischer und sozialer Reform das historische Interesse an Unruhen, kollektiver Gewalt und Rebellion grenzüberschreitend prägten. In den Jahren danach untersuchten Historiker mit Petitionen, Märschen, Barrikaden, Schlägereien usw. diejenigen Formen, die unter anderem von Arbeitern, Bauern und Frauen – allesamt Gruppen, die historisch von politischen Entscheidungsprozessen meist ausgeschlossen gewesen waren und ihre Anliegen nur über den Protestweg kommunizieren konnten – ausgeübt wurden. Mit dem Aufschwung der Kulturgeschichte seit den 1980er Jahren wurde es allmählich ruhiger um die Sozialgeschichte, und somit auch um die historische Protestforschung.
Angesichts der vermehrten Protestbereitschaft, die sich in den letzten Jahren rund um den Globus gezeigt hat, scheint eine neue Hinwendung zur historischen Protestforschung angebracht. Diese Lehrveranstaltung möchte dazu einen Beitrag leisten. Einerseits sollen Fragen und Themenfelder des Forschungsfelds in seiner langjährigen Entwicklung rekonstruiert, anderseits die Breite des Spektrums historischer Protestformen und -forschung gezeigt werden. Behandelt werden sowohl bekannte Autoren und Themen, wie auch Aspekte, die bisher eher weniger berücksichtigt wurden. Neben einer Genese der historischen Protestforschung, sollen die Chancen der historischen Analyse von ‚crowd action‘ beleuchtet werden. Achtung: Die Literatur ist sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch. Ich erwarte von Ihnen die aktive Teilnahme an der Seminardiskussion sowie ein Impulsreferat und eine kleinere schriftliche Leistung. Das Seminar schließt mit einer mündlichen Prüfung von 15-20 Minuten Dauer.
Rhythmus | Tag | Uhrzeit | Format / Ort | Zeitraum |
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Modul | Veranstaltung | Leistungen | |
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22-2.1 Theoriemodul | Grundseminar Historiographie | Studieninformation | |
Grundseminar Theorien in der Geschichtswissenschaft | benotete Prüfungsleistung
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Studieninformation |
Die verbindlichen Modulbeschreibungen enthalten weitere Informationen, auch zu den "Leistungen" und ihren Anforderungen. Sind mehrere "Leistungsformen" möglich, entscheiden die jeweiligen Lehrenden darüber.