230703 Biographismus, "Charakterologie" und Persönlichkeitskonstruktion in antiken Texten (S) (WiSe 2007/2008)

Das Spannungsfeld zwischen biographischer "Wahrheit" und Fiktion, wie es sich in antiken Texten praktisch und "theoretisch" niederschlägt, ist Gegenstand der anzukündigenden Veranstaltung. In ihr wird es zunächst um das Problem gehen, ob bzw. bis zu welchem Punkt wir einem griechischen oder römischen Autor vertrauen dürfen, wenn er über sich selber spricht? Der Schwerpunkt des Seminars wird jedoch darauf liegen, was man in der Antike (und teilweise bis heute) über das Leben bedeutender Persönlichkeiten, insbesondere von Dichtern und Denkern, zu wissen glaubte. Welche Formen und Stereotypen der Charakterdarstellung lassen sich ausfindig machen? Wie kommt es beispielsweise zu der weit verbreiteten Vorstellung, daß der Epiker Homer blind gewesen sei oder der Jambograph Archilochos seine "Ex-Braut" samt deren Vater und Schwester in den Selbstmord getrieben habe? Durch die Arbeit an derartigen Fragestellungen werden quasi nebenbei immer wieder zentrale Werke der antiken Literatur und deren postume Rezeption, wichtige Aspekte der antiken Geschichte und Kultur in den Mittelpunkt des Interesses rücken. Studierende der Literaturwissenschaft (das Seminar wendet sich ausdrücklich auch an solche Interessenten, die über geringe oder gar keine Kenntnisse der antiken Sprachen verfügen) werden sicher auch für ihre Beschäftigung mit jüngeren Literaturen und Epochen profitieren können.