220117 Herrschaftsordnung und Geschlechterordnung in der Vormoderne aus sozial- und kulturgeschichtlichen Perspektiven (S) (WiSe 2015/2016)

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Charakteristisch für Mitteleuropa ist ein nahezu alle gesellschaftliche Bereiche erfassender Transformationsprozess (1400-1600), der selbstverständlich auch die Herrschaftsformen und ihre sozialen Trägergruppen erfasste. Um diesen Strukturwandel ihren Interessen gemäß zu steuern und zu kontrollieren, erließen weltliche und kirchliche Obrigkeiten immer häufiger Gebote und Ordnungen, die sich auch auf Regeln des Alltags und auf Konventionen zwischen Mann und Frau erstreckten. Diese Ordnungsversuche lösten zunehmend mehr Interessenkonflikte aus, und zwar nicht nur zwischen feudalen, kirchlichen und republikanischen Herrschaftsträgern, sondern auch zwischen ihnen und ständisch, korporativ, kommunal und genossenschaftlich verfassten Bevölkerungsgruppen. Gerungen wurde um grundlegende Rechte in zentralen Lebensbereichen (Macht, ökonomische Ressourcen, Recht, Ehre, Würde, Glaube). Da sich anbahnende Interessenkonflikte nicht selten zuerst an der Veränderung, Verletzung und Ersetzung von Gewohnheiten, Konventionen, Bräuchen, Ritualen, Zeremonien und Symbolen bemerkbar machten und aktenkundig wurden, wobei Ritualen bei christlicher Sakramentenverwaltung, Liturgie und Katechese in diesem Zeitraum eine besondere Bedeutung zukommt, bieten sie methodisch verschiedene Anknüpfungspunkte für gezielte Untersuchungen, die sich der Bewahrung, Gestaltung und Störung von Ordnung in der Vormoderne widmen.

Mit Vorstellungen, Mechanismen und Institutionen sozialer Kontrolle bzw. sozialer Disziplinierung und mit den durch sie ausgelösten Gegenreaktionen – insbesondere in den Bereichen Ehe, Sexualität und Geschlechterbeziehungen – haben sich seit den 1970er Jahren sozialgeschichtlich und kulturanthropologisch angelegte Untersuchungen befasst, die in den beiden Veranstaltungen des Moduls exemplarisch vorgestellt und besprochen werden sollen. Des Weiteren widmen sich seit etwa fünfzehn Jahren dezidiert kulturgeschichtlich angelegte Studien und Konzepte diesem breiten Themenfeld aus einer neuen Perspektive, in der Rituale (einschließlich Sprechakte und Diskursregeln) in den Fokus der Betrachtung rücken. Dabei wird die Auffassung vertreten, dass Rituale nicht nur das wesentliche Medium normativer Vorstellungen bilden, sondern auch das wesentliche Instrumentarium für die Umsetzung von Normen bereitstellen. Denn über Rituale würden Normen zu allererst inszeniert und damit faktisch erst wirksam gemacht. Die Beachtung der Performativität von Ordnungen und Ordnungsvorstellungen erlaubt – so der Anspruch – genauere Einblicke in die spezifischen Kommunikationsbedingungen und Handlungsweisen des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Und: Mit dieser Betrachtungsweise könnten auch manche „anachronistischen Missverständnisse“ (Barbara Stollberg-Rilinger) vermieden werden, insofern sie auf Annahmen beruhten, dass Norm und Handlung stets in einem engen rechtsförmlichen Verhältnis gestanden hätten oder zumindest von den Zeitgenossen in diesem Sinn interpretiert worden wären. Die Leistungsfähigkeit dieser kulturgeschichtlichen Betrachtungsweise von Herrschafts- und Geschlechterordnung im besagten Transformationsprozerss soll in den beiden Seminaren an Fallstudien nachvollzogen und erörtert werden.

Bibliography

Überblicksdarstellungen in der Literatur in Auswahl: Christina Vanja / Heide Wunder (Hrsg.), Wandel der Geschlechterbeziehungen zu Beginn der Neuzeit, Frankfurt / Main 1991; Michael Mitterauer, Familie und Arbeitsteilung. Historischvergleichende Studien, Wien / Köln / Weimar 1992; Heide Wunder, ‚Er ist die Sonn’, sie ist der Mond’. Frauen in der Frühen Neuzeit, München 1992; Robert W. Scribner, Religion und Kultur in Deutschland, 1400-1800, Göttingen 2002; Bernhard Jussen / C. Koslofsky (Hrsg.), Kulturelle Transformation. Sinnformationen im Umbruch: 1400-16.00, Göttingen 1999, Barbara Stollberg-Rilinger, Symbolische Kommunikation in der Vormoderne. Begriffe – Forschungsperspektiven – Thesen, in: Zeitschrift für historische Forschung 31 (2004), S. 489-527; Barbara Stollberg-Rilinger, Des Kaisers alte Kleider. Verfassungsgeschichte und Symbolsprache des alten Reiches, München 2008; Claudia Opitz-Belakhal, Geschlechtergeschichte, Frankfurt / New York 2010; Elisabeth Harding / Natalie Krentz (Hrsg.), Symbolik in Zeiten von Krise und gesellschaftlichem Umbruch, Münster 2011; Klaus Schreiner, Rituale, Zeichen, Bilder. Formen und Funktionen symbolischer Kommunikation im Mittelalter, Köln / Weimar / Wien 2011; Barbara Stollberg-Rilinger, Rituale, Frankfurt / New York 2013.

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22-3.1 Hauptmodul Vormoderne
3.1.5
Seminar Vormoderne Study requirement
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22-3.8 Wahlfreies Hauptmodul
3.8.5
Seminar Study requirement
Graded examination
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22-B4-HM Profilmodul Geschichtswissenschaft (für Studierende mit Kernfach / Nebenfach Geschichte) Seminar Graded examination
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22-B4-LFS-Ha Geschichte 1: Hauptmodul Geschichte der römischen und der romanischen Welt (für Studierende mit Kernfach Geschichte) Seminar Graded examination
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30-MGS-4 Hauptmodul 3: Arbeit und gesellschaftliche Transformationen Seminar 1 Study requirement
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Seminar 2 Study requirement
Graded examination
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Degree programme/academic programme Validity Variant Subdivision Status Semester LP  
Frauenstudien (Enrollment until SoSe 2015) Schwerpunkt I; Schwerpunkt II; Schwerpunkt III    
Gender Studies / Master (Enrollment until SoSe 2013) Hauptmodul 4   3 (bei Einzelleistung 3 LP zusätzlich)  
Geschichtswissenschaft (Gym/Ge) / Master of Education (Enrollment until SoSe 2014) 3.1.5   8  
Romanische Kulturen: Sprache, Literatur, Geschichte / Bachelor (Enrollment until SoSe 2011) Nebenfach BaRKF4b; BaRKS4b; BaRK5e; BaRK5f    
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Friday, December 11, 2015 
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Thursday, August 20, 2015 
Type(s) / SWS (hours per week per semester)
seminar (S) / 2
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