m Verlauf des 20. Jahrhunderts haben sich Vorstellungen über Sexualität und sexuelle Praktiken stark verändert, ja für manche Zeiten ¿ um 1900, in den 1920er Jahren und für die späten 60er Jahre ¿ ist gar von ¿sexuellen Revolutionen¿ gesprochen worden. In diesen Phasen beschleunigten Wandels veränderten Markt und Politik, Wissenschaft und Protestkultur die Vorstellungen davon, was Sexualität sei und welche Bedeutung sie im Leben der Menschen hat bzw. haben sollte. Wie also wurde Sexualität zeitgenössisch entworfen?
Das Seminar nähert sich dieser Frage aus einer wissenschaftshistorischen Perspektive. Es untersucht die Zirkulation und Transformation des Wissens über Sexualität in der deutschen Gesellschaft des 20. Jahrhunderts. Dazu werden erstens die Expertendiskurse, in denen Wissen über Sexualität erzeugt wurde, näher betrachtet. So interessieren die von Medizinern, Psychologen und Sexualwissenschaftlern entwickelten Kategorien, in denen im 20. Jahrhundert über Sexualität gesprochen wurde, ebenso, wie die konkreten Verfahren ¿ Enqueten, Umfragen, auf teilnehmender Beobachtung basierende Untersuchungen etc. ¿, mit denen Wissen über einen gemeinhin wenig sichtbaren Bereich des sozialen Lebens erzeugt wurde. Das Seminar fragt, zweitens, nach der Institutionalisierung und staatlichen Nutzung dieses Wissens, nach seiner Verwendung bei der Reglementierung von sexuellem Verhalten durch Gesetze, strafrechtliche Sanktionen und Erziehungsmaßnahmen. Es untersucht drittens die Popularisierung und Instrumentalisierung sexuellen Wissens durch staatliche Stellen, aber auch durch Aktivisten verschiedener Sexualreformbewegungen und durch kommerzielle Anbieter. Beratungsstellen, Ehe- und Sexualratgeber, Gesundheitsausstellungen und Aufklärungsfilme gehören zu den Medien der Popularisierung, die es näher zu untersuchen gilt.
Wie sich das ¿wissenschaftliche¿ Bild der Sexualität auf die Selbstwahrnehmung der Menschen, auf ihr sexuelles Erleben und ihre Praktiken auswirkte und wie es genutzt werden konnte, um Moralvorgaben zu widersprechen, entzieht sich weitestgehend der historischen Rekonstruktion. Immerhin eröffnen historische Zeugnisse, wie Leserzuschriften, Gerichtsprotokolle, Autobiographien und Romane gewisse Einblicke in ihre individuelle Aneignung und Verwendung. Dieser Aspekt bildet einen vierten Schwerpunkt der Veranstaltung.
Rhythmus | Tag | Uhrzeit | Format / Ort | Zeitraum |
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Studiengang/-angebot | Gültigkeit | Variante | Untergliederung | Status | Sem. | LP | |
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Geschichtswissenschaft / Bachelor | (Einschreibung bis SoSe 2011) | Kern- und Nebenfach | 3.2.10 | Wahlpflicht | 8 | scheinfähig | |
Geschichtswissenschaft (Gym/Ge) / Master of Education | (Einschreibung bis SoSe 2014) | 3.2.10 | 8 | scheinfähig |