Suche nach Sinn und nach Erdung im Unterschied zum unsteten Stadtleben? Gewissens- und Zukunftsfragen? Zugehörigkeitskitsch? Um solche Themen scheint es im neuen Dorfroman zu gehen - einer überaus beliebten Ausprägung der Gegenwartsliteratur.
Zum besseren Verständnis der Gegenwart lohnt sich auch hier der vertiefende Blick in die Literaturgeschichte: Denn bereits um die Mitte des 19. Jahrhunderts kommt das Dorf erstmals en vogue -- als Schauplatz, aber auch als Protagonist ernster Literatur in ganz Europa. In der Dorfgeschichte, einer Gattung, die zwischen Bild, Novelle und Heimatroman oszilliert, geht es um Aspekte des dörflichen Milieus, das typischerweise in spezifischen, geographisch verortbaren Regionen angesiedelt ist. Der erzählte Raum markiert hier das «Land» im Gegensatz zur «Stadt» mit einem oft realistischen, manchmal idyllischen, teils auch national-emanzipativem oder verklärendem Impetus. Dorfgeschichten nutzen vielfach eine einfache, überschaubare Erzählstruktur und eine dem jeweiligen regionalen Soziolekt angenäherte Sprache.
In diesem Seminar untersuchen wir vor allem ausgewählte Dorfgeschichten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Es geht um realistisch-unmittelbare, aber auch idealisierende Erzählweisen und Stoffe – angesichts einer historisch zunehmend industrialisierten, ‚entfremdeten‘ und oftmals als sozial ungerecht verstandenen Welt. Wir fragen nach der Rolle des (bürgerlichen) Lesepublikums, nach Geschlechter- und Sozialkonstellationen, nach Anthropologie, Utopie und Religion, und zeichnen historische Entwicklungslinien zwischen Tendenz- und Trivialliteratur nach. Ausgehend von Berthold Auerbachs ,Schwarzwälder Dorfgeschichten‘ (ab 1842) vergleichen wir u.a. die geographisch benachbarten Schweizer Erzählungen von Jeremias Gotthelf und Gottfried Keller mit naturalistischen Texten, zu denen u.a. ‚Das Weiberdorf ‘ (1900) von Clara Viebig gehört, das in der Eifel lokalisiert ist. Und auch soll diskutiert werden, inwiefern es sich lohnt, Gegenwartsromane u.a. von Judith Hermann oder Saša Stanišić vor dieser Tradition zu betrachten.
Literatur wird in der ersten Sitzung bekannt gegeben. Eigene Funde zur Dorfliteratur können gern mitgebracht werden.
Rhythmus | Tag | Uhrzeit | Format / Ort | Zeitraum | |
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wöchentlich | Di | 14-16 | X-E1-107 | 13.10.2025-06.02.2026 |
Modul | Veranstaltung | Leistungen | |
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23-GER-BasLit Basismodul Literaturwissenschaft: Historische Aspekte der Literatur: Epochen und Epochenumbrüche | Seminar zur deutschen Literaturgeschichte | Studienleistung
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Studieninformation |
Die verbindlichen Modulbeschreibungen enthalten weitere Informationen, auch zu den "Leistungen" und ihren Anforderungen. Sind mehrere "Leistungsformen" möglich, entscheiden die jeweiligen Lehrenden darüber.