Ein Kaiser wird am Heiligen Abend von seinem Gegenspieler vor dem Altar ermordet, eine Königin vom affektgeleiteten Herrscher eingekerkert, gefoltert und verbrannt, und mehr noch: ein Kaiser in all seiner Durchtriebenheit und Perversion als Tyrann par excellence gezeichnet, der selbst vor grausamem Muttermord nicht zurückschreckt. Mit Fug und Recht kann man behaupten: Im barocken Trauerspiel sind die Tyrannen los! In den Trauerspielen eines Gryphius oder Lohenstein sind Figurationen des Bösen in mannigfaltiger Prägung präsent, wobei insbesondere der Tyrann prägnant hervortritt. Das malum, das Luther als "böse Gefühlsausrichtung des Geistes, durch die der Mensch geneigt ist, das Böse zu tun" (WA 56, 187) charakterisiert und dessen Grundsätze die Lutheraner Gryphius und Lohenstein aufgreifen, zeigt sich hier in spezifischer Verknüpfung mit Macht- und Herrschaftsfragen. Dabei geht das Wissen um das Böse nach W. Benjamin jeder künstlerischen Anstrengung voraus.
Im Seminar fokussieren wir die Frage, welche ethischen und ästhetischen Implikationen mit der theatralen Gestaltung des Bösen bzw. des Tyrannen verbunden sind. Ausgehen wollen wir von der Handlungs- und Darstellungsebene ausgewählter Trauerspiele (Gryphius: 'Leo Armenius oder Fürsten-Mord' [1650], Gryphius: 'Catharina von Georgien oder Bewehrte Beständigkeit' [1657], Lohenstein: 'Agrippina' [1665]). Sodann nehmen wir die Vorstellung des menschlichen Lebens als Trauerspiel in den Blick, ist das Konzept des theatrum mundi doch deutlich mit einer didaktischen Funktion des Theaters verknüpft. Welche Gestaltungsmittel arbeiten einer Ethik und Ästhetik der Tyrannis zu? Und in welchen konkreten historischen Kontexten sind diese virulent? Ziel ist es, unter den Voraussetzungen frühneuzeitlicher Wissensbestände, die spezifische Ethik und Ästhetik der Tyrannis als einer Form des menschlich Bösen zu beschreiben zu deuten.
Textausgaben:
- Gryphius, Andreas: Catharina von Georgien. Trauerspiel. Hrsg. von Alois M. Haas. Bibliogr. erg. Ausg. Stuttgart 2020 [1975] (RUB 14009).
- Gryphius, Andreas: Leo Armenius. Trauerspiel. Hrsg. von Peter Rusterholz. Stuttgart 1971 (RUB 7960).
- Lohenstein, Daniel Casper von: Römische Trauerspiele. Agrippina, Epicharis. Hrsg. von Klaus Günther Just. Stuttgart 1955.
Die Gryphius-Texte (Reclam-Ausgaben) sind anzuschaffen! Der Lohenstein-Text wird in Kopie zur Verfügung gestellt.
Rhythmus | Tag | Uhrzeit | Format / Ort | Zeitraum | |
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wöchentlich | Do | 12-14 | 13.10.2025-06.02.2026 |
Modul | Veranstaltung | Leistungen | |
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23-GER-BasLit Basismodul Literaturwissenschaft: Historische Aspekte der Literatur: Epochen und Epochenumbrüche | Seminar zur deutschen Literaturgeschichte | Studienleistung
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Studieninformation |
- | benotete Prüfungsleistung | Studieninformation |
Die verbindlichen Modulbeschreibungen enthalten weitere Informationen, auch zu den "Leistungen" und ihren Anforderungen. Sind mehrere "Leistungsformen" möglich, entscheiden die jeweiligen Lehrenden darüber.