220128 Sonderfall Weimarer Republik? Die europäische Zwischenkriegszeit zwischen Revolution, Demokratie und Autoritarismus (S) (SoSe 2023)

Die Geschichte der Weimarer Republik wird seit geraumer Zeit unter einer veränderten Perspektive betrachtet. Lange lag das zentrale geschichtswissenschaftliche Erkenntnisinteresse in den Fragen, wie sich das Scheitern der ersten deutschen Demokratie und der Aufstieg der Nationalsozialisten erklären lasse und inwiefern diese Entwicklungen auf einen „deutschen Sonderweg“ zurückzuführen seien. Gegenwärtig werden in der Forschung hingegen die historische Offenheit dieser Phase der deutschen Geschichte und bestehende Ähnlichkeiten zu Entwicklung in anderen europäischen Nationen betont. Die skizzierte Perspektivverschiebung hat die Weimarer Republik in wesentlichen Punkten in ein neues Licht gestellt. Gleichzeitig ist dadurch das faktische – und weiterhin erklärungsbedürftige – Ende der Republik im Nationalsozialismus mitunter zu stark aus dem Blick geraten. Im Seminar diskutieren wir anhand ausgewählter Fallstudien, wie sich die Offenheit der Weimarer Republik denken lässt, ohne ihr Scheitern zu vernachlässigen. Mit Fokus auf revolutionäre, demokratische und faschistische Bewegungen in verschiedenen Ländern Europas erörtern wir, welchen Beitrag eine transnationale Perspektive zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen und zur Neubewertung der Weimarer Republik leisten kann. Neben der empirischen Auseinandersetzung soll es in der Seminardiskussion zudem um eine theoretisch-methodische Reflexion der Potentiale und Grenzen vergleichender und verflechtungsgeschichtlicher Ansätze gehen.