Das Erzählen von Ende der Welt wird schon früh zum Thema mittelalterlicher Erzähltexte. Bereits althochdeutsche Überlieferungszeugen setzen sich damit auseinander (‚Muspilli‘ um 870, Otfrid von Weißenburg frühes 9. Jh.). Das Nachdenken über die Endzeit prägt die gesamte Epoche ‚des‘ Mittelalters (Frau Avas Dichtungen aus dem Ende des 12. Jh., ‚Von Gottes Zukunft‘ aus dem 13./14. Jh., ‚Churer Weltgerichtsspiel‘ von 1517). So finden natürlich epochenspezifische Vorstellungen Eingang in die Texte und erzeugen ein diachron beobachtbares Potpourri von Endzeitdarstellungen. Grundlagen für die literarische Thematisierung sind Passagen des Bibelkanons (Hinweise im Alten Testament, den Evangelien und natürlich der Offenbarung des Johannes), aber auch apokryphes Schrifttum und (lateinische) Bibelkommentare.
Das Seminar blickt auf die Darstellung und Inszenierung der letzten Tage, des Untergangsgeschehens und des Weltgerichts in Texte unterschiedlicher Gattungen und Entstehungszeiten. Was geschieht, wenn die Welt untergeht? Welche Kriterien führen die Texte für ewiges Leben oder ewigen Tod an und wie sehen die Imaginationen von ‚Himmel‘ und ‚Hölle‘ aus?
Erwartet wird die Bereitschaft sich mit den Texten der älteren Sprachstufen des Deutschen auseinanderzusetzen, aktive Mitarbeit im Seminar und Interesse an den zentralen Themen. Texte und Themen werden in der ersten Sitzung festgelegt; es werden zugleich Hinweise zur Sekundärliteratur gegeben.