250309 Mehr als Madigmachen? Erziehungswissenschaft als kritische Kulturwissenschaft. (S) (SoSe 2012)

Inhalt, Kommentar

In einer Wiederaufnahme der Auseinandersetzungen um grundsätzliche Bestimmungen der Pädagogik hat Micha Brumlik 2006 den polarisierenden Vorschlag gemacht, Erziehungswissenschaft als kritische Kulturwissenschaft zu begreifen, da die sozialwissenschaftliche Perspektive erstens nur einen Teil der erziehungswissenschaftlichen Elemente erfassen könne und zweitens weitgehend ihr kritisches Potential eingebüßt habe. Er vertritt die Ansicht, die kulturwissenschaftliche Perspektive erweise sich als „jene Perspektive, die Bildungsprozessen in besonderer Weise angemessen ist“. Der kulturwissenschaftliche Blick unterscheidet sich Brumlik zufolge vom sozialwissenschaftlichen dadurch, dass er „weniger an den Funktionen sozialen Handelns für Institutionen oder Systeme interessiert ist als daran, wie Sinn dargestellt und vollzogen wird“. Mollenhauer, der schon 1975 zusammen mit Brumlik und Wudtke demonstriert hat, wie Analysen literarischer Texte für erziehungswissenschaftliche Theoriebildung eingesetzt werden können, plädiert auch dafür, „kulturtheoretische Analysen in den Kanon pädagogischer Forschung aufzunehmen“. Dabei entbindet er jedoch ein solches Vorgehen keineswegs von sozialwissenschaftlichen und politischen Fragestellungen, da „jedes pädagogische Ereignis in irgendeiner Weise an das gesellschaftliche System gebunden ist und einen, wenn auch verborgenen, politischen Gehalt hat.“ Andreas Gruschka zufolge wiederum ermöglichen die Analysen von literarischen Texten Einsichten nicht nur über Bildungsprozesse, sondern auch über Probleme, die in der Theorie häufig außer Acht gelassen werden: „Der fiktionale Text steht dann näher zur Realität als der wissenschaftliche oder theoretische: Literatur berichtet über praktische Verhältnisse in der Erziehung so, daß deren krude, negative und ideologische Aspekte ungeschminkt deutlich werden“. Daher lassen sich über einen kulturwissenschaftlichen Zugang auch Erkenntnisse über die gesellschaftlichen Bedeutungen von pädagogischen Institutionen und Herangehensweisen gewinnen. Diese drei Perspektiven werden wir im Seminar gegeneinander diskutieren und jeweils kritisch hinterfragen. Um zu schauen, wie eine kulturwissenschaftliche Ausrichtung der Erziehungswissenschaft aussehen könnte, werden wir uns konkret mit ausgewählten erziehungswissenschaftlichen Analysen kultureller Artefakte befassen, die Relevanz kulturwissenschaftlicher Analysen für die Pädagogik diskutieren und nach methodologischen Vorüberlegungen selber Kulturindustrieprodukte analysieren. Zudem werden wir uns mit dem Verhältnis von (Halb-)Bildung und Kulturindustrie auseinandersetzen. Das führt sowohl zu der Frage, ob diesem eine „Erziehung des 'Madigmachens'“ angemessen wäre, wie Adorno sie gefordert hatte, wie auch zu einer kritischen Reflexion des instrumentellen Umgangs mit kulturellen Artefakten als Erziehungsmittel und Ausweis von Bildungserfolg in der Pädagogik.

Literaturangaben

Brumlik, Micha: „Kultur“ ist das Thema. Pädagogik als kritische Kulturwissenschaft. In: Zeitschrift für Pädagogik. Heft 1, 2006, S. 60-67.
Gruschka, Andreas: Bürgerliche Kälte und Pädagogik. Moral in Gesellschaft und Erziehung. Wetzlar 1994.
Koller, Hans-Christoph/ Rieger-Ladich, Marcus (Hg.): Grenzgänge. Pädagogische Lektüren zeitgenössischer Romane. Bielefeld 2005.
Koller, Hans-Christoph/ Rieger-Ladich, Marcus (Hg.): Figurationen von Adoleszenz. Pädagogische Lektüren zeitgenössischer Romane II. Bielefeld 2009.
Mollenhauer, Klaus: Umwege. Über Bildung, Kunst und Interaktion. Weinheim/München1986.
Mollenhauer, Klaus: Vergessene Zusammenhänge. Über Kultur und Erziehung. München 1983.
Mollenhauer, Klaus/ Brumlik, Micha/ Wudtke, Hubert: Die Familienerziehung. München 1975.
Mollenhauer, Klaus/ Rittelmeyer, Christian: Methoden der Erziehungswissenschaft. München 1977.
Weitere und genauere Literatur wird im Seminar bekannt gebeben.

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25-BE2_ver1 Erziehungswissenschaftliche Forschung in Theorie und Empirie E2: Soziale, kulturelle, politische und rechtliche Kontexte pädagogischen Handelns Studienleistung
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25-BiWi2-G Fachliches Grundlagenmodul (Grundschule) E2: Bildung, Erziehung und Sozialisation Studienleistung
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25-BiWi2-HRGe Fachliches Grundlagenmodul (HRGe) E2: Bildung, Erziehung und Sozialisation Studienleistung
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Studiengang/-angebot Gültigkeit Variante Untergliederung Status Sem. LP  
Erziehungswissenschaft (Kernfach) / Bachelor (Einschreibung bis SoSe 2011) Kernfach BE 3.2   3/5 aktive Teilnahme oder EL(b)  
Pädagogik / Erziehungswissenschaft / Diplom (Einschreibung bis SoSe 2008) G.2.2   scheinfähig  

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Freitag, 11. Dezember 2015 
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Art(en) / SWS
Seminar (S) / 2
Einrichtung
Fakultät für Erziehungswissenschaft
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