Mit der Bildungsexpansion nahm die Zahl der Studierenden in Deutschland zu und die Studierenden zeichnen sich heute durch verschiedene Heterogenitätsmerkmale – v.a. Ethnizität, Race, Religion, Schichtzugehörigkeit und Geschlecht - aus. Diese Lehrforschung nimmt zur Ausgangslage den Umstand, dass immer mehr Menschen mit Migrationshintergrund an deutschen Universitäten studieren. Es geht von der Beobachtung aus, dass Studierende an deutschen Universitäten die genannten Heterogenitäten und damit verbunden soziale (ethnisierende) Grenzziehungen wahrnehmen und höchst individuell verarbeiten.
Im Zentrum des Interesses stehen die Fragen, (erstens) wie diese Grenzziehungen wahrgenommen werden, (zweitens) wie die Studierenden mit diesen Grenzziehungen umgehen, sowie (drittens) welche Effekte diese Grenzziehungen haben können: Wirken die ethnisierenden Grenzziehungen als ‚Enabling‘? (in Bezug auf Rollenmodelle, Solidaritätsmuster) oder aber als auch als ‚Constraining‘? (beispielsweise betreffend der eingeschränkten Handlungsoptionen und Teilhabechancen). Wirkt das Heterogenitätsmerkmal ‚Ethnizität’ an der Universität als Ungleichheit generierend? Und wenn ‚ja’: Durch welche Mechanismen?
Die Universität sowohl als Organisation als auch als sozialer Gestaltungsraum gefasst, in dem die Fakultäten und deren Fachkulturen unterschiedliche Rahmenbedingungen bieten. Die Lehrforschung fokussiert auf den Studienverlauf als Weg zum Beruf. Dieser Weg kann allerdings höchst unterschiedliche Ausprägung erfahren. Das hängt nicht nur mit der Studienwahl und mit den Betreuungsverhältnissen zusammen, sondern ebenso mit den Formen studentischer Vergemeinschaftung, der Netzwerkbildung, dem sozialen Wissen sowie Praxen, die das Studium begleiten: beim Wohnen, in der Freizeitgestaltung und in der das Studium begleitenden ehrenamtlichen Engagements und Praktika.
Im Rahmen der Lehrforschung soll das Wechselspiel zwischen den organisatorischen Bedingungen der Universität zusammen mit den persönlichen Wahrnehmungen, Beziehungen und Handlungsoptionen betrachtet werden. Gegenstand der Analyse sind insbesondere die Netzwerkbildung, welche die Studierenden praktizieren, Prozesse der Vergemeinschaftung sowie die Zugehörigkeitskonstellationen unter den Peers.
Um diese Fragen umfassend behandeln zu können, bieten sich drei Herangehensweisen an:
a) Rezeption und Diskussion rezenter theoretischen Ansätze in den relevanten Forschungsfeldern ‚Bildung’, ‚Migration’, ‚Interkulturalität’. Dazu gehören „Diskurse der Interkulturalität“, „Umgang mit Differenz“ (z. B. Gleichheitsdiskurs, Universalitätsdiskurs, Essentialisierungsdiskurs /Kulturrelativismus), „Ethnic boundary-making“, „Belonging“ und Themenfelder wie „Diskurse der interkulturellen Bildung“, „Kompetenzen interkultureller Bildung“, „Ungleichheit durch Bildungsinstitutionen“;
b) Empirische Datenerhebung an der Universität Bielefeld, die der Netzwerkbildung, welche die Studierenden praktizieren, den Prozessen der Vergemeinschaftung sowie den Zugehörigkeitskonstellationen unter den Peers nachgeht.
c) Auswertung des empirischen Datenmaterials mit Hilfe der in Bezug auf a) bezogenen Theorien und Konzepte.
Ausgewählte Literatur:
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Parker, L. (2007): Difference, Diversity, and Distinctiveness in Education and Learning. Los Angeles: Sage.
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Pott, Andreas (Hg.) (2002): Ethnizität und Raum im Aufstiegsprozeß. Eine Untersuchung zum Bildungsaufstieg in der zweiten türkischen Migrantengeneration. Univ., Diss.--Osnabrück, 2001. Opladen: Leske + Budrich.
Raiser, U. (2007): Erfolgreiche Migranten im deutschen Bildungssystem – Es gibt sie doch. Lebensläufe von Bildungsaufsteigern türkischer und griechischer Herkunft. Berlin: LIT.
Terkessidis, M. (2010): Interkultur. Berlin: Suhrkamp.
Tilly, Charles (Hg.) (1999): Durable inequalities. Berkeley, Calif.: Univ. of California Press.
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Winker, G. / Degele, N. (2009): Intersektionalität. Zur Analyse sozialer Ungleichheiten. Bielefeld: transcript. Einleitung. S. 9-24
Richtet sich an Studierende im MA Soziologie, Sozialwissenschaften
Studierende, die an dieser Lehrforschung teilnehmen, müssen mit verschiedenen Verfahren der qualitativen Sozialforschung vertraut sein. Bereitschaft zur Lektüre englischsprachiger Texte wird vorausgesetzt ebenso wie regelmäßige Teilnahme an den Sitzungen, individuelle Beiträge sowie Austausch in der Phase der empirischen Datenerhebung und ihrer Nachbereitung.
Frequency | Weekday | Time | Format / Place | Period | |
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weekly | Di | 9-12 | U4-211 | 03.04.-10.07.2012
not on: 4/17/12 |
Bitte beachten: Am 17.4.2012 findet die Veranstaltung in U4-217 statt. |
one-time | Di | 9-12 | U4-217 | 17.04.2012 |
Degree programme/academic programme | Validity | Variant | Subdivision | Status | Semester | LP | |
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Soziologie / Diplom | (Enrollment until SoSe 2005) | 2.5 | Wahlpflicht | HS | |||
Soziologie / Master | (Enrollment until SoSe 2012) | Modul 7.1; Modul 7 | Wahlpflicht | 5 |
Anforderungen für die Erbringung der Studienleistung: Regelmäßige Teilnahme, vorbereitende Lektüre von ausgewählten Texten für jede Sitzung, Durchführung empirischer Datenerhebung an der Universität Bielefeld. Verfassen eines Lehrforschungsberichtes.