„Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir“, lautet eine gängige Parodie auf Seneca. Und tatsächlich deuten gegenwärtige Entwicklungen daraufhin, dass diese Losung direkt in die Tat umgesetzt wird: So bereitet eine Wattenscheider Schule ihre Schüler systematisch auf ein Leben mit Hartz-IV vor, während an anderer Stelle die ‚Verbesserung‘ deutscher Schüler beim letzten PISA-Test für positive Resonanz sorgt, weil ein gutes Abschneiden die ‚employability‘ der Schüler erhöhe. Diese und andere Fälle werfen die Frage auf, nach welchen Kriterien Bildungsgerechtigkeit eigentlich bemessen wird und werden kann.
Der vom indischen Ökonomen und Nobelpreisträger Amartya Sen und der amerikanischen Philosophin Martha Nussbaum entwickelte Befähigungsansatz (capabilities approach) ist eine der gegenwärtig am intensivsten diskutierten Gerechtigkeits- und Gesellschaftskonzeptionen in dessen Mittelpunkt die realen Freiheiten zu und die Verwirklichungschancen auf ein gelingendes Leben für das einzelne Individuum stehen. Bildung (bzw. Education) kommt im Befähigungsansatz eine zentrale Rolle zu gerechten Teilhabemöglichkeiten an gesellschaftlichen Prozessen und selbstbestimmten Lebensentwürfen in einer heterogenen Umwelt zu.
In diesem Seminar wollen wir zunächst die Variante Nussbaums kennenlernen und ihre bildungstheoretischen Implikationen herausarbeiten. Sodann wollen wir untersuchen, welche Argumente und Anregungen der Befähigungsansatz hinsichtlich einer ‚gerechten Schule‘ und guten Unterrichts zur Verfügung stellt.
Ziel des Seminars ist zum einen eine kritische Sensibilisierung für normative Fragen und Probleme, die immer Teil sowohl des erziehungswissenschaftlichen Diskurses als auch der konkreten Unterrichtsplanung und -gestaltung sind. Zum anderen soll mit dem Befähigungsansatz ein Gerechtigkeitskonzept vorgestellt und diskutiert werden, das Hilfestellung bei Entscheidungs- und Legitimationsprozessen des täglichen Lehrerinnen- und Lehrerhandelns zu geben vermag, z.B. bei Konflikten im Klassenraum oder während Elterngesprächen.
Das Seminar wird aus den vier Sozialformen bestehen.
Alle Interessierten sind herzlich willkommen und eingeladen, inhaltliche Vorkenntnisse werden nicht erwartet.
Die Literatur zu den einzelnen Sitzungen wird im StudIP zur Verfügung gestellt. Wer sich vorab schon einen Überblick verschaffen oder einlesen möchte, dem sei empfohlen:
- Jank, W. & Meyer, H. (2002): Didaktische Modelle. Berlin: Cornelsen Scriptor.
- Nussbaum, M. C. (1999). Der aristotelische Sozialdemokratismus. In M. C. Nussbaum (Hrsg.), Gerechtigkeit oder Das gute Leben (S. 24–85). Frankfurt am Main: Suhrkamp.
- Nussbau, M. C. (2010). Not for Profit. Why Democracy Needs the Humanities. Princeton: Princeton University Press. Kapitel 3.
- Walker, M. (2008). The capability approach as a framework for reimagining education and justice. In H.-U. Otto & H. Ziegler (Hrsg.), Capabilities - Handlungsbefähigung und Verwirklichungschancen in der Erziehungswissenschaft (S. 116–130). Wiesbaden: VS Verl. für Sozialwiss.
Rhythmus | Tag | Uhrzeit | Format / Ort | Zeitraum | |
---|---|---|---|---|---|
wöchentlich | Di | 10-12 | T2-226 | 05.04.-12.07.2011 |
Verstecke vergangene Termine <<
Studiengang/-angebot | Gültigkeit | Variante | Untergliederung | Status | Sem. | LP | |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Erziehungswissenschaft GHR / Master of Education | (Einschreibung bis SoSe 2011) | MA.3.4.2; MA.5.4.2 | 3 | aktive Teilnahme | |||
Erziehungswissenschaft GymGe / Master of Education | (Einschreibung bis SoSe 2011) | MG.3.4.2; MG.5.4.2 | 3 | aktive Teilnahme | |||
Erziehungswissenschaft (Nebenfach) / Bachelor | (Einschreibung bis SoSe 2011) | Nebenfach | M.3.4.2; M.5.4.2 | 3 | aktive Teilnahme | ||
Frauenstudien | (Einschreibung bis SoSe 2015) | Schwerpunkt I; Schwerpunkt II; Schwerpunkt III |
In diesem Seminar kann eine aktive Teilnahme bestätigt werden. Dazu wird erstens die Rezeption und Diskussion der zum (geringen) Teil englischsprachigen Literatur vorausgesetzt. Darüber hinaus bestehen zwei Möglichkeiten, die AT zu erbringen:
Möglichkeit 1:
- Teilnahme an einer von zwei Gruppenarbeiten
- Teilnahme an zwei von drei Buzzgroups im Seminar
Möglichkeit 2:
- Präsentation eines allgemeindidaktischen Konzeptes und dessen Anschlussmöglichkeiten und -grenzen an den Befähigungsansatz in Gruppen oder alleine
Benotete oder unbenotete Einzelleistungen können in modulbezogenen Vertiefungsseminaren erbracht werden. Es wird empfohlen sich entweder in der Schreibwerkstatt von Philipp Bornkessel (250053) oder in der didaktischen Vertiefung von Prof'in Dr. Barbara Koch-Priewe (250050) anzumelden, um die Inhalte des Seminars zu vertiefen.