Die familiäre Verfälschung und Verdrängung der NS-Vergangenheit und von NS-Täterschaft mit fatalen Folgen für das gesamtgesellschaftliche Bewusstsein im Hinblick auf die NS-Vergangenheit hat die Autoren Ingeborg Bachmann, Thomas Bernhard und Elfriede Jelinek stets beschäftigt. Sicher hat das auch etwas damit zu tun, dass sich die Zweite Republik Österreich, in deren Kontext die drei Autoren stehen, immer besonders schwer im Umgang mit der NS-Vergangenheit getan hat.
Ingeborg Bachmann schreibt in der Erzählung "Unter Mördern und Irren" (1961): "Wir sind in Wien, mehr als zehn Jahre nach dem Krieg. 'Nach dem Krieg' - dies ist die Zeitrechnung." In der neuen Zeitrechnung geschieht das kaum Vorstellbare: Die Kluft zwischen nationalsozialistischen Tätern, opportunistischen Mitläufern und Opfern geht in ein trügerisches Einverständnis aller Seiten über. Bachmanns Vater war seit 1932 Mitglied der NSDAP. In dem soeben (Suhrkamp 2010) von H. Höller veröffentlichen "Kriegstagebuch" der jugendlichen Ingeborg Bachmann bricht sie mit der Kriegs- und NS-Täter-Generation, wenn sie konstatiert: "Nein, mit den Erwachsenen kann man nicht mehr reden."
Thomas Bernhard beschreibt die Fortsetzung des NS in seiner Schule nach 1945 in seinem autobiografischen Roman "Die Ursache. Eine Andeutung" (1975). In dem Stück "Vor dem Ruhestand" (1979) steht ein NS-Täter im Mittelpunkt und dessen Verdrängung und Mythifizierung seiner NS-Täterschaft innerhalb seiner Familie, wie sie typisch ist für die innerfamiliäre Tradierung eines falschen Bewusstseins im Hinblick auf die NS-Vergangenheit.
Elfriede Jelinek zeigt in ihrem Stück "Burgtheater" (1985) das Verhalten der berühmten Schauspielerfamilie Hörbiger/Wessely im NS und deren Umgang damit auf. Es folgt "Präsident Abendwind" (1987). Darin geht es um den österreichischen Bundespräsidenten Kurt Waldheim und dessen Umgang mit der eigenen NS-Vergangenheit. Und ganz neu geht es in dem Stück "Rechnitz (Der Würgeengel)" (2008) um die Gräfin Margit von Batthyany, eine Thyssen-Enkelin, die auf ihrem Schloss in Rechnitz an der österreichisch-ungarischen Grenze in der Nacht zum 25. März 1945 ein Fest mit SS-Offizieren und einheimischen Nazi-Kollaborateuren feiert. Gegen Mitternacht werden Waffen ausgegeben und die Partygesellschaft ermordet 180 ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter. Die Gräfin wird niemals strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen. Die Täter fliehen ins Ausland. Das Schloss geht in Flammen auf. Bis heute werden die Leichen der Opfer nicht gefunden. Erst Jelinek begibt sich mit ihrem Stück erstmals auf die Spurensuche.
Die Teilnehmer/innen sollten mindestens jeweils einen der angegebenen Texte der Autoren Bachmann, Bernhard, Jelinek gelesen haben. Erwünscht sind ferner Grundkenntnisse über die Biografie und das Werk der drei Autoren.
Die Textausgaben der drei Autoren sind zumeist in Taschenbuchausgaben bei Suhrkamp, Rowohlt, Piper, Reclam ... etc. verfügbar. Einige Jelinek-Texte in der Internet-Homepage der Autorin. Die "Kriegstagebücher" Bachmanns (2010) sind jedoch nur in einer Hardcover-Ausgabe verfügbar.
Zur Einführung in die Thematik u.a.: Miriam Hefti, Aufbruch zum Leben. Das Kriegstagebuch (...) der jungen Ingeborg Bachmann. In: Neue Zürcher Zeitung, Mittwoch, 19. Mai 2010, Nr. 113, S. 21. Uwe Jahnke, Zur familiären Verfälschung von Geschichte in Thomas Bernhards Stück "Vor dem Ruhestand". In: Jahrbuch der Österreich-Bibliothek in St. Petersburg, Bd. 5, Österreichische Literatur und Kultur: Tradition und Rezeption, St. Petersburg 2003, S. 202 - 215.
Rhythmus | Tag | Uhrzeit | Format / Ort | Zeitraum |
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Studiengang/-angebot | Gültigkeit | Variante | Untergliederung | Status | Sem. | LP | |
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Germanistik / Bachelor | (Einschreibung bis SoSe 2011) | Kern- und Nebenfach | BaGerP2L; BaGerP2G | 2/5 | |||
Germanistik / Master of Education | (Einschreibung bis SoSe 2014) | BaGerP2L; BaGerP2G | 2/5 | ||||
Germanistik (GHR) / Master of Education | (Einschreibung bis SoSe 2014) | BaGerP2L; BaGerP2G | 2/5 |
Leistungspunkte werden in der Regel durch Präsentationen und Referate im Verlauf der Veranstaltung vergeben.