230428 Kanonische Texte mit digitalen und analogen Mitteln lesen: Realismus und Naturalismus (S) (SoSe 2024)

Zu den schulrelevanten Aspekten der Literaturwissenschaft gehört in besonderem Maß die Kenntnis einschlägiger, kanonischer Texte und deren kritische, aber immer auch orientierende Lektüre. Die zentrale literaturwissenschaftliche Praxis des «Lesens» stellt auch hier eine zentrale Gelenkstelle dar: recht formale textbezogene Analyseverfahren stehen neben eher subjektiven Deutungen und der Kontextualisierung etwa durch (historisches) Gattungswissen und Poetiken, aber auch Sozial- und Kulturgeschichte. Nicht zuletzt ergänzen neuerdings auch digitale und quantitative Techniken die Lesepraxis – etwa durch das «Distant Reading» größerer digitaler Kopora und kollaborative Annotationen von Stilmitteln, Sujets oder Handlungselementen, die auf einen analytischen Konsens abzielen oder danach fragen, wo dieser vielleicht nicht gut möglich ist.
Unser Seminar stellt anhand des Epochenumbruchs «um 1900» die Lektüre von Texten ins Zentrum, die vielfach kanonisch dem bürgerlichen/poetischen Realismus und dem Naturalismus zugeordnet werden. Ausgehend von (kritischen) Epochencharakterisierungen und einer Einführung in den Kanonbegriff vergleichen wir unterschiedliche Zugriffe zwischen hermeneutischer Interpretation und dem Distant Reading, wobei durchgängig besondere Aufmerksamkeit auf die Untersuchung konkreter Textgestalten und -merkmale liegen soll. Kenntnisse von Textanalyse-Tools wie Voyant und CATMA werden nicht vorausgesetzt, wohl aber die Bereitschaft, sich mit digitalen rechnergestützen Verfahren auseinander zu setzen. Die Nutzung eines eigenen Laptops wird begrüsst.