300003 Geschlecht, Staat, EU (S) (WiSe 2002/2003)

Seit den 80er Jahren sind in der Frauen- und Geschlechterforschung eine Reihe von Arbeiten entstanden, die eine differenzierte Perspektive auf den Staat entwickelten: Der Staat wird nicht mehr nur entweder als "Verkörperung des Patriarchats" betrachtet, dem nur mit "autonom-feministischen" Strategien begegnet werden kann, oder als Apparat, den es "staatsfeministisch" zu instrumentalisieren gilt. In den letzten Jahren sind auch zunehmend feministische Analysen entstanden, die sich mit der Neustrukturierung von Staatlichkeit auf der Ebene der Europäischen Union auseinandersetzen. Dieser Prozeß wird nun von feministischen Staatstheoretikerinnen ebenfalls differenziert bewertet: Die EU gilt nicht mehr nur als "Herrenhaus", das nationalstaatliche Geschlechterungleichheit auf supranationaler Ebene wiederholt oder gar verstärkt; die EU wird aber auch nicht ausschließlich als Chance für einen neuen Geschlechtervertrag unter feministischen Vorzeichen gewertet.

In dem Seminar werden die neueren Ansätze der feministischen Staatstheorien vorgestellt und diskutiert. Die Risiken und Chancen für eine Geschlechterdemokratie im Zuge der Durchsetzung der EU werden dabei im Zentrum des Seminars stehen.

Literaturhinweis:

Feministische Studien (2001): Geschlecht und Politik in Europa, Heft 1
Kreisky, Eva/ Lang, Sabine/ Sauer, Birgit (Hg) (2002): Das Geschlecht des Staates. Transformation von Staatlichkeit in der EU, Wien
Ostner, Ilona (1995): Ausgereizt? Eine kurze Geschichte der EG-Frauenpolitik. In: Berliner Journal für Soziologie, Heft 2, S. 173-189