"Die meisten Organisationen der modernen Gesellschaft sind spezifischen Funktionssystemen zugeordnet. Dass Universitäten zugleich zur Forschung und zur Erziehung beitragen sollen, ist eher eine Anomalie. Die unmittelbare Kopplung von Lehre und Forschung würde, wenn ernst genommen, erhebliche Leistungsminderungen in beiden Bereichen verursachen. Vor allem aber ist zu beachten, dass die Phase des exponentiellen Wachstums der Wissenschaft, was Personal und Finanzmittel angeht, irgendwann einmal (wenn nicht heute schon) abgeschlossen ist. Das heißt dann, dass in diesen Hinsichten (nicht deshalb auch: im Wissen selber) ein annähernd stationärer Zustand erreicht werden muss. Und das heißt ganz praktisch: dass ein Wissenschaftler während seines ganzes Lebens nur einen einzigen Nachfolger ausbilden kann. Dann müssen die Universitäten zu Schulen werden, in denen anspruchsvolle Qualifikationen erworben werden, und die Selektion des akademischen Nachwuchses wird man nur noch situativ handhaben können. Es hat dann keinen Sinn mehr, speziell dafür auszubilden. Die Differenzierung von Erziehung und wissenschaftlicher Forschung wird sich auf diese Weise auch hier durchsetzen." (Luhmann 1990)
Diese knappe, aber gehaltvolle Analyse Luhmanns zeigt an, dass sich die Systemtheorie eignet, um aus den Universitäten heraus einen soziologischen Blick auf ebendiese Organisationen und ihren aktuellen Strukturwandel zu werfen, abseits von hochschulpolitisch aufgeladenen Positionen.
Die Veranstaltung hat zwei Schwerpunkte. Zunächst geht es darum, anhand einschlägiger systemtheoretischer Konzepte ein grundlegendes Verständnis von Universitätsstrukturen zu erarbeiten. Im Vordergrund steht dabei die besagte gesellschaftliche Doppelexistenz als Wissenschaftsorganisation und Erziehungsorganisation. Wie ist die Universität mit beiden Funktionssystemen verknüpft? Wie werden diese Bezüge intern kombiniert? Welche Funktionen hat das? Welche Folgeprobleme ergeben sich daraus?
Im zweiten Teil wird es darum gehen, die These einer zunehmenden Differenzierung von Wissenschafts- und Erziehungsfunktion auf die aktuellen Reformprozesse der Universitäten zu beziehen. Dabei sollen die anfangs diskutierten theoretischen Konzepte auf konkrete Beispiele - Bachelor/Master, Studiengebühren, Exzellenzinitiative etc. – angewendet und damit sogleich das Verständnis der Theorie als auch des empirischen Gegenstandes Universität geschärft werden.
Grundkenntnisse in Systemtheorie, anderen Organisations- und Gesellschaftstheorien oder besondere Leselust sind von Vorteil – wenigstens eine dieser Vorraussetzungen sollte man mitbringen. Die Bedingungen zum Erwerb einer benoteten Einzelleistung sowie zur Bescheinigung einer Aktiven Teilnahme werden im Rahmen der ersten Sitzung bekannt gegeben.
Luhmann, Niklas (1987): Zwischen Gesellschaft und Organisation. Zur Situation der Universitäten. In: Luhmann, Niklas: Soziologische Aufklärung 4. Beiträge zur funktionalen Differenzierung der Gesellschaft. Köln [u.a.]: Westdt. Verl., S. 202–211.
Luhmann, Niklas (1987): Codierung und Programmierung. Bildung und Selektion im Erziehungssystem. In: Luhmann, Niklas: Soziologische Aufklärung 4. Beiträge zur funktionalen Differenzierung der Gesellschaft. Köln [u.a.]: Westdt. Verl., S. 182–201.
Luhmann, Niklas (1991): Selbststeuerung der Wissenschaft. In: Luhmann, Niklas: Soziologische Aufklärung. Aufsätze zur Theorie sozialer Syteme. 6. Aufl. Köln [u.a.]: Westdt. Verl., S. 232–252.
Frequency | Weekday | Time | Format / Place | Period | |
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weekly | Mi | 16-18 | U3-122 | 15.04.-22.07.2009 |
Degree programme/academic programme | Validity | Variant | Subdivision | Status | Semester | LP | |
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Soziologie / Bachelor | (Enrollment until SoSe 2008) | vNF: Fachmodul 2 | Wahl | ||||
Soziologie / Bachelor | (Enrollment until SoSe 2008) | KF: Fachmodul 2 | Wahl | ||||
Soziologie / Bachelor | (Enrollment until SoSe 2008) | NF: Fachmodul 2 | Wahl |