Warum sollten wir uns aus soziologischer Perspektive mit Organisationen und mit Prozessen des Organisierens befassen? Gut, solche Analysen sind seit Jahrzehnten wissenschaftliche Praxis – und schließlich auch Bestandteil vieler sozialwissenschaftlicher Studiengänge. Aber welche Gründe gibt es darüber hinaus? Um Organisationen zu gestalten und verbessern, sagen vielleicht die einen. (Das wäre die utopische Antwort.) Weil sie ein weit verbreitetes gesellschaftliches Phänomen sind, das erhebliche soziale und ökologische Konsequenzen zeitigt, meinen womöglich andere. (Das wäre die realistische Antwort.) Da Organisationen recht seltsame soziale Tatsachen sind und Prozesse des Organisierens recht eigentümliche Vorgänge – und beide nicht nur Forschende, sondern insbesondere auch Mitglieder und Beteiligte vor erhebliche Rätsel stellen. „Was geht hier eigentlich vor?“, würde sich Erving Goffman fragen, falls er noch lebte. (Das wäre die interpretative Antwort.)
In der Veranstaltung „Grundlagen (der) Organisationssoziologie“ werden wir immer wieder auf diese Warum-Frage zu sprechen kommen - spätestens dann, wenn Sie damit beginnen, an einer bearbeitbaren Fragestellung für eine Hausarbeit zu feilen, und Sie das ein oder andere Motivationsloch á la „Warum schreibe ich eigentlich über das, über das ich schreibe?“ zu stopfen haben. Bekanntermaßen sind Warum-Fragen aber auch äußerst schwer zu beantworten. Wir arbeiten in der Veranstaltung daher mit einem simplen (soziologischen Trick), der darin besteht, sich nicht primär mit Warum-, sondern mit Wie-Fragen zu befassen. Das ist die erste zentrale Prämisse für die Seminargestaltung. Entsprechende Fragen, die wir uns dann stellen können, sind: Wie ereignen sich organisatorische Vorgänge? Wie entstehen Organisationsprobleme, wie Lösungen zu ihrer Bearbeitung? Wie funktionieren diese Problembearbeitungen? Wie zeitigen sie reale Konsequenzen?
Eine zweite Prämisse besteht in der im Veranstaltungstitel angesprochenen Problemorientierung. Dahinter steht der Gedanke, dass Organisationen bzw. Prozesse des Organisierens zwar sehr vielfältige Formen haben, sie aber immer wieder auf ganz ähnliche Probleme stoßen. Dazu zählen klassischerweise Fragen der Koordination, der Verantwortungsübernahme oder des Technikeinsatzes – aber auch die immer wieder gemachte Entdeckung, dass die Art und Weise des Organisierens irgendwie nicht mehr so richtig dazu passt, was Außenstehende von der Organisation erwarten. Diese typischen Probleme schauen wir uns an.
Die dritte Prämisse der Seminargestaltung besteht darin, dass wir uns mit zentralen Heuristiken beschäftigen, mit denen Organisationssoziolog*innen oftmals schon seit Jahrzehnten arbeiten, um Organisationen und Organisieren zu untersuchen – und sich diese Heuristiken nicht zuletzt deshalb bewährt haben, weil Organisationen und Prozesse des Organisierens (wiederum bei aller Vielfalt!) bestimmte soziale Muster aufweisen, auf die diese Heuristiken aufmerksam machen. Formalität und Informalität sind bedeutende Beispiele. Wenn Sie Konzepte wie diese kennen und können, sind Sie gut präpariert, um selbst Organisationen und Organisationsprozesse zu untersuchen und sich utopisch, realistisch oder interpretativ zu Wort zu melden.
Lesen Sie bitte auch das „Kleingedruckte“:
Veranstaltung=Seminar+Übung+Vorlesung
Sie müssen weder die Sorge noch die Hoffnung haben, dass in „Grundlagen Organisationssoziologie“ eine Lehrperson die ganze Zeit etwas erzählt und Sie die ganze Zeit nur zuhören müssen. Vielmehr werden wir die Arbeitsweisen variieren. Es wird Seminarteile geben, in denen wir in erster Linie die obligatorische Lektüre zu der betreffenden Sitzung diskutieren. Ebenso wird es Übungsteile geben, in denen Sie für sich allein oder in Teams selbstorganisiert arbeiten. Und schließlich wird es auch Vorlesungsteile geben, die vor allem der inhaltlichen Einbettung der diskutierten Seminarlektüre dienen werden – wozu die Kenntnis der Texte vorausgesetzt wird, um nicht nur „Bahnhof“ zu verstehen.
Fallorientierung
Wie-Fragen, Organisationsprobleme und Heuristiken werden wir für gewöhnlich anhand von konkreten Ereignissen des Zeitgeschehens und der Zeitgeschichte erarbeiten.
Schreibwerkstatt für Hausarbeiten
„Grundlagen Organisationssoziologie“ hat in vielen Passagen den Charakter einer Schreibwerkstatt. Ich möchte im Grunde von jeder und jedem von Ihnen eine Hausarbeit bekommen. Daher werden wir immer wieder über Tipps, Tricks und Schwierigkeiten sprechen, die mit dem akademischen Schreiben verbunden sind, und nach und nach beginnen, Konzepte für eigene Arbeiten zu entwickeln, so dass Sie Ihren Text zum Ende der Vorlesungszeit mindestens vor Augen, vielleicht aber auch schon auf dem Papier haben. In jedem Fall werden Sie im Rahmen der Veranstaltungszeit genug Gelegenheit bekommen, zu schreiben und Feedback zu erhalten.
(Wer keine Hausarbeit in „Grundlagen Organisationssoziologie“ schreiben möchte, aber trotzdem teilnehmen möchte, ist natürlich herzlich dazu eingeladen. Der Deal ist allerdings, dass Sie in der Veranstaltung jede Schreibübung mitmachen.)
Vierstündige Veranstaltung
„Grundlagen Organisationssoziologie“ ist eine vierstündige Veranstaltung. Die beiden Teil-Veranstaltungen A1 (300330) und A2 (330331) sind inhaltlich und didaktisch eng miteinander verflochten. Um bei erfolgreicher Teilnahme die Leistungspunkte verbucht zu bekommen, müssen Sie im eKVV für beide Lehrveranstaltungen eingetragen sein. (Warum das so ist, stellt ein interessantes organisatorisches Rätsel dar, mit dem wir uns im Seminar beschäftigen könnten.)
Wer sich – aus welchen Gründen auch immer – nicht imstande sieht, sich intensiv mit der Se-minarlektüre auseinanderzusetzen und in regelmäßigen Abständen etwas für das Seminar zu schreiben, ist in dieser Veranstaltung falsch.
Bonazzi, G., 2014: Geschichte des organisatorischen Denkens. Wiesbaden: Springer VS. https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-02506-9
Rhythmus | Tag | Uhrzeit | Format / Ort | Zeitraum |
---|
Modul | Veranstaltung | Leistungen | |
---|---|---|---|
30-M23 Fachmodul Organisation I | Seminar 1 (z. B. Grundlagen der Organisationssoziologie) | Studienleistung
|
Studieninformation |
Seminar 2 | Studienleistung
|
Studieninformation | |
- | benotete Prüfungsleistung | Studieninformation |
Die verbindlichen Modulbeschreibungen enthalten weitere Informationen, auch zu den "Leistungen" und ihren Anforderungen. Sind mehrere "Leistungsformen" möglich, entscheiden die jeweiligen Lehrenden darüber.
Studiengang/-angebot | Gültigkeit | Variante | Untergliederung | Status | Sem. | LP | |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Studieren ab 50 |
Für die Bescheinigung einer Studienleistung
Sie schreiben zu fünf Texten, die obligatorische Seminarlektüre sind, je einen Problemaufriss.
In einem Problemaufriss führen Sie zunächst kurz in den betreffenden Text ein und werfen eine Frage auf, anhand der wir ihn aus Ihrer Sicht einmal diskutieren sollten (Schritt 1). Dazu geben Sie in eigenen Worten den Textabschnitt wieder, auf den sich Ihre Frage konkret bezieht (Schritt 2; inkl. Seitenangaben). Schließlich begründen Sie möglichst detailliert, warum sich die von Ihnen aufgeworfene Frage stellt (Schritt 3).
Die drei Schritte können Sie auch in anderer Reihenfolge gehen. Wichtig ist, dass Sie in Ihrem Problemaufriss alle drei Aspekte bearbeiten.
Ihr Problemaufriss sollte einen Mindestumfang von 150 Wörtern haben und 250 Wörter nicht überschreiten.
Bringen Sie Ihre Problemaufrisse bitte zur jeweiligen Sitzung mit und laden Sie sie zusätzlich als PDF im Lernraum zur Veranstaltung hoch. Legen Sie den Problemaufriss im Ordner zu der betreffenden Sitzung ab, bevor sie beginnt. (Problemaufrisse, die Sie zu spät hochladen, zählen nicht mehr. Sie müssen dann einen zusätzlichen Text problematisieren.)
Die Problemaufrisse fungieren in den betreffenden Sitzungen als Arbeits- und Diskussionsgrundlage für Sie.
Zusätzlich für eine benotete Einzelleistung
Sie verfassen eine Hausarbeit mit Seminarbezug. Ihre Texte sollten problemorientiert, anschaulich und argumentativ sein. Wählen Sie Ihre Frage sehr bewusst – eine gute Frage wird Sie beim Schreiben inspirieren. Ich unterstütze Sie gerne bei der Konzeption.
Ein Wort zum Umfang: Sie werden es schwer haben, etwas Substanzielles in weniger als 5.000 Wörtern auszudrücken. Falls Sie demgegenüber 8.000 Wörter überschreiten, werden Sie selbst den aufgeschlossensten Leser langweilen.
Zu dieser Veranstaltung existiert ein Lernraum im E-Learning System. Lehrende können dort Materialien zu dieser Lehrveranstaltung bereitstellen: