361024 Exilsprophetie in Israel (S) (WiSe 2001/2002)

Das Babylonische Exil (587-538 v. Chr.) bedeutete in Israels Geschichte und Glauben einen tiefen Einschnitt. Der Sieg der babylonischen Großmacht über den abgefallenen Vasall Juda, die damit verbundene Zerstörung Jerusalems und des Tempels, die Deportation des Königs und der gesamten Oberschicht waren nicht nur eine militärische und politische, sondern ebenso eine religiöse Katastrophe. Nach altorientalischer Logik hatte eben nicht nur das Volk Israel gegen Babylon verloren, sondern damit zugleich auch Jahwe, der Gott des Volkes Israel, gegen den babylonischen Gott Marduk.
Dennoch bedeutete der politische Untergang Israels nicht wie sonst im Alten Orient das Ende des Jahweglaubens und insofern das Ende Israels. Eine wesentliche Rolle spielten dabei offenbar die Propheten der Exilszeit, die schon durch ihre bloße Existenz, dann aber auch und erst recht durch ihre Botschaft Licht in der Nacht Israels waren. Beides, Exilszeit und Exilsprohetie, führten zu einer Erweiterung und Vertiefung des Gottesverständnisses in Israel, die für die Folgezeit und ins besondere auch für das Wirken Jesu und die Entstehung eines Gottesvolkes aus allen Völkern von grundlegender Bedeutung war.
Im Seminar wird zunächst eine Einführung in die geschichtlichen und religiösen Hintergründe der Exilszeit sowie in die Prophetie in Israel gegeben werden. Auf diesem Hintergrund werden herausragende Propheten der Exilszeit (Jeremia, Hesekiel/Ezechiel, Deuterojesaja) vorgestellt, ihre Botschaft anhand ausgewählter Texte erarbeitet und ihre Wirkung und Bedeutung für den Glauben Israels erschlossen. Die Abgründigkeit der exilischen Gotteserfahrung, die in den überlieferten Worten der Exilspropheten prägnant zum Ausdruck kommt, hat im Laufe der Geschichte immer wieder ein alle Selbstverständlichkeiten infragestellendes radikales Fragen nach Gott ausgelöst und vermag so gerade auch in heutiger, nach Orientierung suchender Zeit Impulse zu geistlicher wie zu kirchlicher Erneuerung zu geben.