Die athenische Demokratie stellt als konsequent verwirklichte Selbstregierung einer nicht ganz kleinen Bürgerschaft über einen Zeitraum von mehr als 150 Jahren nach wie vor ein einzigartiges Experiment in der Weltgeschichte dar; sie bildet das „einzige gut dokumentierte und nicht lediglich episodenhafte oder in Raum und Wirkung begrenzte, sondern in politischer wie kultureller Hinsicht wirkungsmächtige Beispiel einer vormodernen Demokratie“ (Kurt Raaflaub). Sie ist seit zweihundert Jahren Gegenstand intensiver Forschungen. Die Quellenlage ist weit besser als für alle anderen Gemeinwesen der griechischen Geschichte. Im Modul werden den Gegenstand aus zwei Perspektiven betrachten: zum einen systematisch (geographische, wirtschaftliche und soziale Voraussetzungen – Bürgerschaft und Institutionen – Verfahrensformen und Essentials – politische Kultur der Demokratie u.a.m.), zum anderen historisch (Demokratie als Verwirklichung der Entwicklung des Bürgerstaates Athen seit dem8. Jahrhundert v.Chr.). Durch Quellenlage und Forschung lässt sich die athenische Demokratie zugleich multimethodisch untersuchen: Verschiedene Quellenarten (Geschichtsschreibung, Reden, Theaterstücke – Inschriften – Bauten, Vasenbilder und andere gegenständliche Überreste) müssen zusammengesehen werden; neben traditioneller (aber unverzichtbare!) Ereignisgeschichte und Institutionenkunde stehen seit langem Mentalitäten, Diskurse und demokratietheoretische Ansätze in der Diskussion; es gibt sogar Versuche, die Demokratie systemtheoretisch zu analysieren. Die Breite der politischen Agenda in den Organen des Demos lässt die Scheidung etwa zwischen Innen- und Außenpolitik wenig sinnvoll erscheinen. Die politische Dynamik der Demokratie, ihre robuste Interessenpolitik, die enorm intensive Teilhabe einer großen Zahl von Bürgern, die Frage nach individueller Freiheit und sozialer Konformität, die Stressmomente (bis hin zu zwei antidemokratischen Systemumstürzen), die kontroversen Wertungen in der antiken und nachantiken Diskussion über gute politische Systeme – all dies und noch viel mehr sorgt dafür, dass uns der Stoff zum Forschen und Diskutieren nicht ausgehen wird.
Das Modul ist als integrierte vierständige Lehrveranstaltung konzipiert. Zunächst werde ich in Vorlesungsform einen einführenden Überblick geben; dann lesen wir gemeinsam ausgewählte Texte (antike Quellen; Forschungsliteratur in deutscher und englischer Sprache). Den dritten, längsten Abschnitt machen die Präsentationen der Studierenden aus (keine Referate im üblichen Sinn!).
Achtung: Das Seminar „Die athenische Demokratie“ und die Historische Orientierung „Der Bürgerstaat Athen vom 6.-4. Jh. v.Chr.“ bilden einen vierstündigen Block und müssen beide besucht werden. Aufgrund des Aufbaus des Modulblocks (s.o.) wird es für Studierende, die nur eine der beiden Veranstaltungen besuchen, nahezu unmöglich sein, dem Fortschreiten im Stoff und im Kompetenzerwerb zu folgen. Auf Fragen und Probleme, die sich aus dem Versäumen von einzelnen Sitzungen oder einer ganzen Hälfte des Moduls ergeben, wird keinerlei Rücksicht genommen werden können!
Prüfungsleistungen
Im Seminar Präsentation mit Quellenpapier/Tischvorlage; schriftliche Hausarbeit im Umfang von 40.000-50.000 Zeichen (= 20-25 Seiten); s. Modulhandbuch zum Modul 22-3.1.
Teilnahmevoraussetzung ist das erfolgreich abgeschlossene Grundmodul Antike.
Aristoteles, Der Staat der Athener. Übers. und hgg. v. Martin Dreher, Stuttgart (reclam) 1993 (zur Anschaffung empfohlen!); Raimund Schulz, Kleine Geschichte des antiken Griechenland, Stuttgart (reclam), 2. Aufl. 2010 (für den historischen Kontext; zur Anschaffung empfohlen!); Jochen Bleicken, Die athenische Demokratie, Paderborn u.a. 4. Aufl. 1994 (utb-Ausgabe 1995); Mogens Herman Hansen, Die athenische Demokratie im Zeitalter des Demosthenes, Berlin 1995; Kurt A. Raaflaub, Democracy, in: Konrad H. Kinzl (Hgg.), A Companion to the Classical World, Oxford 2006, 416-431; Elke Stein-Hölkeskamp, Demokratie - die "herrschende Hand des Volkes", in: dies. / Karl-Joachim Hölkeskamp (Hgg.), Die Griechische Welt. Erinnerungsorte der Antike, München 2010, 487-509; Hans Kloft, Die athenische Demokratie. Standpunkte und Kontroversen, in: Vera V. Dement'eva / Tassilo Schmitt (Hgg.), Volk und Demokratie im Altertum, Göttingen 2010, 31-52; Paul Cartledge, Eine Trilogie über die Demokratie, Stuttgart 2008; Peter J. Rhodes (Hg.), Athenian Democracy, Edinburgh 2004; ders., A Commentary on the Aristotelian Athenaion Politeia, Oxford 1981; Karl-Wilhelm Welwei, Athen. Von den Anfängen bis zum Beginn des Hellenismus, Darmstadt 2011; Peter Funke, Athen in klassischer Zeit (Beck Wissen), München 1999 (zur Anschaffung empfohlen). – Zur Rezeptionsgeschichte: Wilfried Nippel, Antike oder moderne Freiheit? Die Begründung der Demokratie in Athen und in der Neuzeit, Frankfurt am Main 2008; Josiah B. Ober, Can we Learn from Ancient Athenian Democracy? Historical and Modern Perspectives, in: Angelos Chaniotis u.a. (Hgg.), Applied Classics. Comparisons, Constructs, Controversies, Stuttgart 2009, 207-230.
Rhythmus | Tag | Uhrzeit | Format / Ort | Zeitraum |
---|
Modul | Veranstaltung | Leistungen | |
---|---|---|---|
22-3.1 Hauptmodul Vormoderne
3.1.1 |
Seminar Vormoderne | Studienleistung
benotete Prüfungsleistung |
Studieninformation |
Die verbindlichen Modulbeschreibungen enthalten weitere Informationen, auch zu den "Leistungen" und ihren Anforderungen. Sind mehrere "Leistungsformen" möglich, entscheiden die jeweiligen Lehrenden darüber.
Studiengang/-angebot | Gültigkeit | Variante | Untergliederung | Status | Sem. | LP | |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Geschichtswissenschaft / Bachelor | (Einschreibung bis SoSe 2011) | Kern- und Nebenfach | 3.1.1 | 8 | |||
Geschichtswissenschaft (Gym/Ge) / Master of Education | (Einschreibung bis SoSe 2014) | 3.1.1 | 8 | ||||
Studieren ab 50 |