Das Wissenschaftssystem befindet sich in einem weit reichenden inneren wie äußeren Wandel. Im Inneren verändern neue interdisziplinäre Felder das Gesicht der Wissenschaft. Den klassischen, in den vier Fakultäten organisierten Disziplinen haben sich längst zahllose andere hinzugesellt. Neue Formen der Kooperation haben sich daraus ergeben, die innovationsträchtige Erkenntnisse hervorbringen. Interdisziplinarität selbst hat den Stellenwert eines die Wissenschaft leitenden Prinzips im Mertonschen Sinne errungen. Sie gilt im wissenschafts- und hochschulpolitischen Diskurs häufig als ein Zweck in sich selbst. Jenseits der inzwischen schon klassischen Interdisziplinarität hat sich inzwischen der Begriff der Transdisziplinarität als neue Antwort auf die gesellschaftlichen Herausforderungen etabliert, mit denen sich Wissenschaft konfrontiert sieht. Die herkömmlichen Formen der autonomen wissenschaftlichen Wissensproduktion scheinen in epistemischer, organisatorischer und gesellschaftlicher Hinsicht vielfach ihre Überzeugungskraft eingebüßt zu haben. Manche Zeitdiagnosen gehen sogar davon aus, dass Struktur und Funktion des Wissenschaftssystems sich qua Inter- und Transdisziplinarität bereits grundlegend geändert haben. Die aus dem neunzehnten Jahrhundert überlieferte Struktur der Disziplinen gilt dementsprechend auch vielen als überholt. Disziplinen gelten als Ursache verengter, einseitiger, nicht problemangemessener Sichtweisen in der Wissenschaft. Inter- und Transdisziplinarität werden als angemessene Reaktionen auf derartige Verkrustungsphänomene interpretiert. Aber nicht nur die Selbstbeschreibung der Wissenschaft stellt sich in der skizzierten Weise auf eine Welt jenseits disziplinärer Differenzierungen ein. Auch die Organisationen der Wissenschaft allgemein und des Hochschulsystems im Besonderen scheinen Diagnosen eines post-disziplinären Zeitalters zu bestätigen.
Auch im Äußeren finden diese Entwicklungen ihren Niederschlag. Mit dem Begriff der Transdisziplinarität wird häufig darauf angespielt, dass die neuen Formen der Wissensproduktion inzwischen auch nichtwissenschaftliche Akteure einschlössen. Vor allem das Konzept der Zivilgesellschaft spielt in diesem Argumentationszusammenhang eine wichtige Rolle. Transdisziplinarität, so wird argumentiert, erfasse darüber hinaus auch Phänomene, die beispielgebend sind für eine Verwissenschaftlichung weiter Lebensbereiche. An erster Stelle dieser Bereiche steht sicherlich die Politik, die sich in beachtlichem Umfang auf wissenschaftliche Expertise und Beratung stützt. Hier beobachten wir seit langem schon interdisziplinäre Kooperationsformen, die zunehmend um die Kooperation mit nichtwissenschaftlichen, vorwiegend zivilgesellschaftlichen Akteuren im Beratungskontext erweitert werden.
Das Seminar untersucht vor diesem Hintergrund die Funktion und den Wandel wissenschaftlicher Disziplinen. Weshalb haben sich Disziplinen in der Wissenschaft herausgebildet? Welche Aufgabe haben sie? Welche Folgen hat der sich abzeichnende Wandel der Disziplinen?
Fundierte Theoriekenntnisse
Bei Interesse an einer ab WS 2009/10 geplanten Lehrforschung zum Thema "Interdisziplinarität" kann die Veranstaltung zur thematischen Vorbereitung dienen
Abbott, A., 2001, Chaos of Disciplines, Chicago/London: Chicago University Press.
Bora, A., 2007, Die disziplinären Grundlagen der Wissenschaft. Wien: Österreichische Akademie der Wissenschaften 2007: ita manu:script ITA-07-08. 21 p.
Funtowicz, S. O., Ravetz, J. R., 1993, The Emergence of Post-Normal Science, in: v. Schomberg, R., (Hg.), Science, Politics and Morality. Scientific Uncertainty and Decision Making, Dordrecht: Kluwer, 85-123.
Gibbons, M., Limoges, C., Nowotny, H., Schwartzman, S., Scott, P., Trow, M., 1994, The New Production of Knowledge, London: Sage.
Kocka, J., (Hg.) (1987), Interdisziplinarität, Praxis – Herausforderungen – Ideologie, Frankfurt/M.: Suhrkamp
Luhmann, N., 1990, Die Wissenschaft der Gesellschaft, Frankfurt/M.: Suhrkamp
Mittelstraß, J., 2003, Transdisziplinarität - wissenschaftliche Zukunft und institutionelle Wirklichkeit, Konstanz: UVK.
Stichweh, R., 1984, Zur Entstehung des modernen Systems wissenschaftlicher Disziplinen, Frankfurt/M.: Suhrkamp.
Weber, M., 1919, Wissenschaft als Beruf, Berlin: Duncker & Humblot, 6. Auflage, 1975.
Rhythmus | Tag | Uhrzeit | Format / Ort | Zeitraum | |
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wöchentlich | Mi | 14-16 | U6-211 | 15.04.-22.07.2009 |
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Studiengang/-angebot | Gültigkeit | Variante | Untergliederung | Status | Sem. | LP | |
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History, Philosophy and Sociology of Science / Master | (Einschreibung bis SoSe 2014) | Hauptmodul 1 | Wahlpflicht | 1. 2. 3. 4. | scheinfähig HS | ||
Soziologie / Diplom | (Einschreibung bis SoSe 2005) | 2.2.4 (DPO02) | Wahl | HS | |||
Soziologie / Master | (Einschreibung bis SoSe 2012) | Modul 3.3 | Wahl | 3 | Bei Einzelleistung 3 LP zusätzlich |