220115 Wie schreibt man eine Geschichte der Tiere? Zugänge zu einem neuen Forschungsfeld (IS) (SoSe 2011)

Blockseminar im Juni/Juli, Vorbesprechung am Do, 14.4.2011, 16-18 Uhr, Raum: K4-129; weitere Termine nach Absprache

Allen voran haben die angloamerikanischen und die angelsächsischen Wissenschaften in den
letzten zwei Jahrzehnten eine Reihe an anthropologisch, kulturwissenschaftlich, literatur- und
geschichtswissenschaftlich geprägten Studien zum Thema ‚Tier’ hervorgebracht. Paul Münch
bemängelte 1998 die Vakanz des Themas ‚Tier’ in der deutschsprachigen Historiographie.
Seit wenigen Jahren steht ‚das Tier’ nun als jüngste kulturwissenschaftliche Kategorie in der
Diskussion. Zunächst fungiert es hierbei als kulturelles Objekt und Symbol, als
Projektionsfläche für Bilder des Menschen von sich selbst: Wer oder was ein Tier ist,
bestimmt die Blickweise des Menschen auf sich selbst. Die klassifikatorische Grenzziehung
zwischen Mensch und Tier kann dabei als eine politisch motivierte Bestimmung von
Machtverhältnissen betrachtet werden. Wissenschaftshistoriker beschäftigen sich in diesem
Sinne beispielsweise mit der ‚politischen Zoologie’, ein Begriff zur Untersuchung historischer
Metaphern und Vergleiche, die Tiere in einen politischen Bezug setzten.
HistorikerInnen, die ihre Ideen neben der
konstruktivistischen Position in den Ansätzen von Bruno Latours ANT und Donna Haraway
suchen, initiierten jüngst neue theoretische Ansätze in der ‚Non-Human’ und der ‚Animal
History’: Darstellungen von Tieren sollen nicht mehr nur als Deutungen menschlicher
Lebensweisen untersucht, sondern in ihrer Wirkungsmacht und Subjektfunktion in der
Geschichte sichtbar gemacht werden.
Das Theorie- und Forschungsseminar führt zum Einen in theoretische und methodische
Herangehensweisen und Problematiken des neuen Forschungsfeldes ‚Tiere in der
Geschichtswissenschaft‘ ein. Es will zweitens konkrete empirische Beispiele untersuchen.
Während zunächst Prämissen und erst jüngst entstandene Ansätze in der Animal History diskutiert werden, bieten anschließende Sitzungen die
Möglichkeit, anhand einzelner Tiere Geschichte(n) themenbezogen (Tiergeschichte als
Stadtgeschichte, Tiere im Labor, Tiere in Naturalienkabinetten und Zoos, Essenstabus,
anthropomorphisierte Tiere, politische Tiere etc.) zu erforschen.

Literaturangaben

Münch, Paul: Tiere und Menschen. Geschichte und Aktualität eines prekären Verhältnisses. Paderborn u.a. 1998.