250028 Literarisches Schreiben als Bildungserfahrung? (BS) (WiSe 2011/2012)

Inhalt, Kommentar

Adorno hat schon 1959 entfaltet, dass Bildung aufgrund der gesellschaftlichen Verhältnisse untergeht in dem, was er als Halbbildung im Sinne der "Verwandlung aller geistigen Gehalte in Konsumgüter" bezeichnet hat. Das, was zählt, ist im Wesentlichen ein Bescheidwissen, das sich in Fragebögen abfragen lässt, das verwertbar ist, zur Zurschaustellung der eigenen Anpassung und Employability dient und zum Statussymbol gerinnt. "Erfahrung, die Kontinuität des Bewußtseins, in der das Nichtgegenwärtige dauert, in der Übung und Assoziation im Einzelnen je Traditionen stiften, wird ersetzt durch die punktuelle, unverbundene, auswechselbare und ephemere Informiertheit, der schon anzumerken ist, daß sie im nächsten Augenblick durch andere Informationen weggewischt wird". Auch wenn Adorno sich der relativen Ohnmacht der Erziehung gegenüber den gesellschaftlichen Verhältnissen bewusst war, trat er demgegenüber für eine Erziehung zur Erfahrung und zur Phantasie ein, die er als eine Erziehung zu Mündigkeit begriff. Nun ist in den letzten Jahren deutlich geworden, dass Kreativität und Innovativität zu den Schlüsselkompetenzen des Postfordismus zählen, dass also Phantasie selber eingemeindet wird in die Logik von Anpassung und Verwertbarkeit (wie etwa Boltanski und Chiapello gezeigt haben). Dennoch haben künstlerische Tätigkeiten immer auch einen ungebändigten Überschuss. Diesem Spannungsverhältnis kann kein Bildungsangebot für kreative Tätigkeiten entrinnen - ebenso wenig wie der Schwierigkeit, dass es sich in der Regel um ein isoliertes, eingegrenztes Erlebnis handelt. Dennoch verquickt literarisches Schreiben, um das es hier gehen soll, Phantasie und Reflexion im Medium der Sprache und ermöglicht eine Auseinandersetzung mit der Welt, die mehr ist als ein positivistischer Abdruck. Es ermöglicht ebenso ein Verständnis von Ästhetik über die Bewegung vom Anerkennen und Brechen der jeweiligen Formensprache.
Kreatives Schreiben mag grundsätzlich nicht besser sein als andere Bildungsangebote, jedoch wird das Schreiben von Lyrik und Prosa häufig in Bildungseinrichtungen benachteiligt. Das gilt beispielsweise für eine der wichtigsten Bildungsinstitutionen, die Schule: Während im Kunstunterricht die praktische Betätigung selbstverständlich ist, lässt sich feststellen, dass im Sprach- und Literaturunterricht „gegen das Einüben und Trainieren von Analyseverfahren und die sonstige Sachtextproduktion kreatives Schreiben deutlich im Hintergrund steht" (Hellwig 2006. In: Pädagogik. 58. Jg./ Heft 6/ Juni 2006, S.24). Kreative Umsetzungen im Sprach- und Literaturunterricht finden sich - abgesehen von Aufsätzen in der Grundschule – eher in Theatervorführungen. Dabei hat Gedichte-schreiben im Vergleich zum Musizieren oder Schauspielerdasein tendenziell den Ruf, "uncool" zu sein, es sei denn, es handelt sich um einen Wettbewerbsevent wie im Falle der Poetry-Slams. Zugleich kann die Vernachlässigung literarischer Textproduktion jedoch auch darauf zurückgeführt werden, dass ein Umgang mit kreativem Schreiben zu wenig Raum auch im Studium von LehrerInnen und PädagogInnen eingenommen hat und sie kaum Erfahrung im literarischen Schreiben mitbringen (vgl. ebd., S.25). Dadurch werden Kinder und Jugendliche, die literarische Texte schreiben, häufig nicht angemessen unterstützt und gefördert.
In diesem Seminar soll es vor allem darum gehen, praktische Erfahrungen mit dem literarischen Schreiben zu machen und zu diskutieren, ob und wie diese sich als Bildungserfahrungen im pädagogischen Betrieb überhaupt realisieren lassen könnten.

Teilnahmevoraussetzungen, notwendige Vorkenntnisse

Vorher zu lesen ist: Adorno, Theodor W.: Einleitung zu einer Diskussion über die 'Theorie der Halbbildung'. In: GS 8, Soziologische Schriften I.

Literaturangaben

Bollmann, Stefan: Frauen, die schreiben, leben gefährlich. Sandmann 2006.
King, Stephen: Das Leben und das Schreiben. München 2000.
Roentgen, Hans Peter: Vier Seiten für eine Halleluja. Ein Schreibratgeber der etwas anderen Art. Sieben Verlag 2008.
Weitere Literatur wird im Seminar bekanntgegeben.

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Modul Veranstaltung Leistungen  
25-BE2_ver1 Erziehungswissenschaftliche Forschung in Theorie und Empirie E1: Theorien der Erziehungswissenschaft (Bildungs-, Erziehungs-, Sozialisations- und Gesellschaftstheorien) Studienleistung
Studieninformation
E2: Soziale, kulturelle, politische und rechtliche Kontexte pädagogischen Handelns Studienleistung
Studieninformation
- benotete Prüfungsleistung Studieninformation

Die verbindlichen Modulbeschreibungen enthalten weitere Informationen, auch zu den "Leistungen" und ihren Anforderungen. Sind mehrere "Leistungsformen" möglich, entscheiden die jeweiligen Lehrenden darüber.

Studiengang/-angebot Gültigkeit Variante Untergliederung Status Sem. LP  
Erziehungswissenschaft (Kernfach) / Bachelor (Einschreibung bis SoSe 2011) Kernfach BE 3.1; BE 3.2   3/5 aktive Teilnahme oder EL b  
Pädagogik / Erziehungswissenschaft / Diplom (Einschreibung bis SoSe 2008) G.2.2    

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Letzte Änderung Grunddaten/Lehrende:
Freitag, 11. Dezember 2015 
Letzte Änderung Zeiten:
Freitag, 9. September 2011 
Letzte Änderung Räume:
Freitag, 9. September 2011 
Art(en) / SWS
BS / 2
Einrichtung
Fakultät für Erziehungswissenschaft
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