Was haben Bundeswehr, Nordkirche, NPD und die Universität Duisburg-Essen gemeinsam? Nun ja, zum einen handelt es sich bei ihnen im soziologischen Sinn um formale Organisationen. Zum anderen haben sie ihre heutige Form durch Fusionen gewonnen. Die Bundeswehr hat die Nationale Volksarmee der DDR übernommen. In der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland, wie die Nordkirche offiziell heißt, haben sich Nordelbische Kirche, die Landeskirche Mecklenburg und die Pommersche Kirche zusammengeschlossen. Die rechtextreme NPD ist aus einem Zusammenschluss von Nationaldemokratischer Partei Deutschlands und Deutscher Volksunion (DVU) hervorgegangen. Die Universität Duisburg-Essen trägt die beiden Vorgängerhochschulen erkenntlich im Namen.
Soziologische Analysen von Organisationsfusionen sind recht selten. Das Feld wird in der Regel von der betriebswirtschaftlichen Merger&Acquisitions-Forschung bearbeitet, das Augenmerk richtet sich dabei vornehmlich auf Unternehmen und die Frage, warum die meisten Fusionen scheitern. Diese Engführungen leuchten disziplinbedingt ein, es gibt jedoch in diesem „Problemfeld“ wesentlich mehr interessante Aspekte zu entdecken!
In unserem Seminar arbeiten wir mit der von Gregory Bateson inspirierten Ausgangsthese, dass Organisationsfusionen im Kern Kulturberührungen von zwei zuvor getrennten sozialen Einheiten sind, die jeweils einen bestimmten Verlauf nehmen. Typischerweise gibt es vier Verlaufsformen: (1) Verschmelzung beider Einheiten; (2) Eliminierung einer der beiden Einheiten; (3) Fortexistenz beider Einheiten unter einem Dach; (4) Abbruch. Alle Teilnehmenden rekonstruieren in eigenen kleinen Fallstudien die spezifische Verlaufsform des von ihnen gewählten Falls (z.B. Bundeswehr, Nordkirche, NPD, Universität Duisburg-Essen u.v.m.). Gemeinsam arbeiten wir an Erklärungen, warum die jeweilige Organisationsfusion ihren konkreten Verlauf nimmt. Gibt es Erklärungen, die für viele, wenn nicht sogar für alle Fusionen zutreffen?
Didaktisch ist die Veranstaltung eine Mischung aus intensivem Lektüreseminar und Schreibwerkstatt. Sie bearbeiten im Lauf des Seminars eine eigene kleine Fallstudie einer Organisationsfusion, die Sie zu einer Hausarbeit ausbauen können, wenn Sie möchten (und was ich empfehle). Jede und jeder, die/der eine Hausarbeit schreiben möchte, hat folglich während der Vorlesungszeit die Gelegenheit, eine bearbeitbare Fragestellung zu entwickeln. Ich stehe dabei helfend zur Seite.
Wer sich – aus welchen Gründen auch immer – nicht imstande sieht, sich intensiv mit der Seminarlektüre auseinanderzusetzen und in regelmäßigen Abständen etwas für das Seminar zu schreiben, ist in dieser Veranstaltung falsch.
Notwendige Teilnahmevoraussetzungen
— Erfolgreiche Teilnahme an Einführungsveranstaltungen zur Organisationssoziologie und zur qualitativen Sozialforschung (im Transkript dokumentiert)
— Bereitschaft, sich mithilfe der im Seminarplan angegebenen Lektüre intensiv auf die einzelnen Sitzungen vorzubereiten
— Diskussionsfreude
— Aufgeschlossenheit für die Argumente anderer
Empfohlene Teilnahmevoraussetzungen
— Argumentationstheoretische Grundkenntnisse
— Regelmäßige Zeitungslektüre (oder Nutzung äquivalenter Quellen, um über aktuelles Zeitgeschehen informiert zu sein)
Bateson, G., 1985: Kulturberührung und Schismogenese. S. 99–113 in: Ökologie des Geistes. Anthropologische, psychologische, biologische und epistemologische Perspektiven. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Hoebel, T., 2014: Träge Fusionen. Das Problem der Organisationsvergessenheit. S. 127–143 in: S. Jung & T. Katzenmayer (Hrsg.), Fusion und Kooperation in Kirche und Diakonie. Göttingen: V&R unipress. => Auf Anfrage per Email (thomas.hoebel@uni-bielefeld.de) beim Dozenten erhältlich.
Rhythmus | Tag | Uhrzeit | Format / Ort | Zeitraum |
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Modul | Veranstaltung | Leistungen | |
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25-FS-EM Einführungsmodul | E2: Einführende Veranstaltung aus den Fakultäten | Studieninformation | |
E3: Einführende Veranstaltung aus den Fakultäten | Studieninformation | ||
25-FS-GM Grundlagenmodul | E2: Einführende Veranstaltung aus den Fakultäten | Studieninformation | |
E3: Einführende Veranstaltung aus den Fakultäten | Studieninformation | ||
30-M23 Fachmodul Organisation I | Seminar 1 (z. B. Grundlagen der Organisationssoziologie) | Studienleistung
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Studieninformation |
Seminar 2 | Studienleistung
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Studieninformation | |
- | benotete Prüfungsleistung | Studieninformation | |
30-M32 Fachmodul Organisation II (erweitert) | Problemfeldanalyse oder Vertiefungsseminar | Studienleistung
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Studieninformation |
Vertiefungsseminar | Studienleistung
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Studieninformation | |
- | benotete Prüfungsleistung | Studieninformation |
Die verbindlichen Modulbeschreibungen enthalten weitere Informationen, auch zu den "Leistungen" und ihren Anforderungen. Sind mehrere "Leistungsformen" möglich, entscheiden die jeweiligen Lehrenden darüber.
Studiengang/-angebot | Gültigkeit | Variante | Untergliederung | Status | Sem. | LP | |
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Frauenstudien | (Einschreibung bis SoSe 2015) | ||||||
Sozialwissenschaften GymGe als zweites Unterrichtsfach / Master of Education | (Einschreibung bis SoSe 2014) | Fachmodul (FM) Org | Wahl | 4 | (bei Einzelleistung 2 LP zusätzlich) |
Für die Bescheinigung der aktiven Teilnahme bzw. einer Studienleistung
— Regelmäßige körperliche und geistige Anwesenheit, aktive Beteiligung an der Seminardiskussion
— Lektüre der erforderlichen Literatur zu jeder Sitzung
— Memos zu mindestens vier Texten, die für die Sitzungen vorbereitet werden müssen
— (Gemeinsame) Recherche eines aktuellen oder historischen Falls einer Organisationsfusion und (gemeinsame) Bearbeitung einer kleinen Fallstudie
Zusätzlich für eine benotete Einzelleistung
Sie verfassen eine Hausarbeit zu einer Frage, die wir im Rahmen des Seminars diskutieren bzw. die einen Seminarbezug hat. Ihre Texte sollten problemorientiert, anschaulich und argumentativ sein. Wählen Sie Ihre Frage sehr bewusst – eine gute Frage wird Sie beim Schreiben inspirieren. Ich unterstütze Sie gerne bei der Themenfindung und der Erarbeitung Ihres Texts. Sprechen Sie mich dazu ruhig an.
Ein Wort zum Umfang: Sie werden es schwer haben, etwas Substantielles in weniger als 4.000 Wörtern auszudrücken. Falls Sie demgegenüber 8.000 Wörter überschreiten, werden Sie selbst den aufgeschlossensten Leser langweilen.