Das propagandistische Potential des Films erkannten die bolschewistischen Machthaber früh und sie wiesen ihm eine Schlüsselrolle bei der Erziehung des Neuen Menschen zu. Das sollte die Bedeutung der Literatur nicht mindern. Trotzdem war man sich dessen bewusst, dass der Film (fast) alle Sinnesorgane unmittelbar ansprechen konnte, was ihm eine Unmittelbarkeit verlieh, die die bereits im Ancien Régime zu Weltrang emporgestiegene Literatur nicht bieten konnte, zumindest (noch) nicht bei Menschen, die gerade erst in den Genuss der Alphabetisierung gekommen waren und denen das Lesen noch schwer fiel. Trotzdem dauerte es – wie auch in anderen Kultur- und Kunst-Sparten – noch einige Zeit, bis das Regime dem Kino seinen ideologischen Stempel aufgedrückt hatte. Aber lässt sich überhaupt so pauschal von „einem“ Stempel sprechen – trotz Formalismus-Debatte und sozialistischem Realismus? Es wäre ein Irrtum zu glauben, dass die staatliche Lenkung und Kontrolle den Film zu einer langweiligen Veranstaltung gemacht habe. Auch war der Film nicht einseitig. Die Bandbreite der Genres ist groß, wie auch die Veränderungen und Entwicklungen, die er in den über 70 Jahren der sowjetischer Geschichte durchgemacht hat. Nichtsdestotrotz, oder gerade deswegen, reflektieren diese Veränderungen – natürlich auf gebrochene Weise – Politik-, Kultur- und Ideologie-Geschichte des sozialistischen Staates. Der Film ist zugleich politische Propaganda – was wäre unter einem autoritären System nicht politisch zu nennen – und Unterhaltung, meist auf hohem Niveau.
In dem Seminar wollen wir anhand des Kinos die unterschiedlichen Sphären der sowjetischen Realität über den ganzen Zeitraum des „ersten sozialistischen Staates“ in den Blick nehmen. Das geht nicht ohne Anschauungsmaterial. Die Filme, die wir uns in den Abendsitzungen anschauen, sind für alle obligatorisch, das gemeinsame Anschauen hingegen nicht. Wenn Sie abends nicht können oder wollen, kann Sie niemand dazu verpflichten und Sie haben auch die Möglichkeit, sich die Filme zu Hause (auf youtube, o.ä.) anzuschauen. Allerdings hat das gemeinsame Schauen den Vorteil, dass wir, wenn wir wollen, auch unter dem unmittelbaren Eindruck über das Gesehene reden können.
Da gerade der Spielfilm als Quellengattung für die meisten Studenten noch immer ein problematisches Genre ist, werden wir im Seminar versuchen, uns auf Grundlage diverser medientheoretischer Ansätze der Quelle „Film“ zu nähern und die Besonderheiten des „sowjetischen“ Spielfilms herauszuarbeiten.
Christine Engel (Hrg.): Geschichte des sowjetischen und russischen Films. Metzler 1999. (zugleich auch ein nützliches Nachschlagwerk)
Heidemarie Schumacher: Fernsehen fernsehen – Modelle der Medien- und Fernsehtheorie, Köln 2000. (für Alle, die eine Einführung in das weite Feld der Medientheorien wagen wollen)
Web-Adresse für Interessierte: http://www.cinema.mosfilm.ru/?gmt=-120 (hier können zahlreiche sowjetische Filme online legal mit englischem Untertitel angeschaut werden)
Rhythmus | Tag | Uhrzeit | Format / Ort | Zeitraum | |
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wöchentlich | Mi | 16-18 | E01-108 | 10.10.2011-03.02.2012
nicht am: 28.12.11 / 04.01.12 |
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wöchentlich | Mi | 20-23 | S2-137 | 10.10.2011-03.02.2012
nicht am: 28.12.11 / 04.01.12 |
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Studiengang/-angebot | Gültigkeit | Variante | Untergliederung | Status | Sem. | LP | |
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Geschichtswissenschaft / Bachelor | (Einschreibung bis SoSe 2011) | Kern- und Nebenfach | Modul 2.2; Modul 2.4 | Wahlpflicht | 4 | scheinfähig | |
Geschichtswissenschaft (Gym/Ge) / Master of Education | (Einschreibung bis SoSe 2014) | Modul 2.4 | Wahlpflicht | 4 | scheinfähig | ||
Studieren ab 50 |